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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Assoziationen.
    Wenn Desmond Grendel war und Sandra Grendels Mama, war Alphonse vielleicht Beowulf, und das Ganze war die Wiederaufführung eines klassischen Meisterwerks.
    Still vor mich hin lächelnd beugte ich mich über Tinys runden weißen Tisch und las die Artikel, die er für mich aufrief.
    »Oha«, sagte das Genie.
    »Was?«
    »Jemand versucht, mich zurückzuverfolgen.«
    »Die Regents Bank?«
    »Der Signatur nach nicht, aber wer immer es ist, arbeitet garantiert in ihrem Auftrag.«
    »Wie dicht sind sie dir auf den Fersen?«
    »Ich habe viertausendsechsundneunzig falsche Fährten ausgelegt«, sagte er unbeeindruckt. »Vielleicht schafft er es da durch, aber ich glaube nicht.«
    »Und wenn doch?«
    »Wenn man tief genug bohrt, kann man meinen Panzer knacken.«
    »Aber das ist eine Menge Arbeit, oder nicht?«
    »Ich hab mich in deren Datenbestand eingehackt«, sagte er freundlich. »Die sind milliardenschwer. Aber keine Sorge, ich hab jede Menge Fallen aufgestellt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass irgendjemand bis hierhin durchkommt.«
    »Unwahrscheinlich ist kein Wort, auf das ich schwöre«, sagte ich. »Vielleicht sollten wir dich ein paar Tage hier rausholen.«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Niemand vertreibt mich aus meinem Zuhause. Mein ganzes Lebenswerk steckt in diesem Raum. Eher sterbe ich, als dass ich mir das von jemandem wegnehmen lasse.«
    »Das meinst du nicht ernst«, sagte ich.
    »Dieser Bunker könnte eine Atomexplosion überstehen«, erklärte er mir, und ich glaubte ihm. »Man braucht ein Team von Bauingenieuren, allein um die Tür einzureißen. Da ich unter der Erde wohne, gibt es keine zugänglichen Außenmauern, und die Wohnung über mir gehört ebenfalls mir. Ich hab im ganzen Flur und sogar auf der Toilette Sprengfallen gelegt und in allen vier Wänden dieses Raums Plastiksprengstoff deponiert. Falls sie jemals so weit vordringen würden – raus kommen sie nicht mehr.«
    Ich bezweifelte kein Wort von dem, was Tiny sagte. Ich fragte mich allerdings, ob er darüber nachgedacht hatte, wie verwundbar jemand wie Zephyra ihn machen würde. Sie würde niemals einwilligen, in einem Loch zu leben oder einen Selbstmordpakt zu unterschreiben, um irgendwelche Daten zu schützen.
    »Hast du einen Stift?«, fragte ich ihn.
    Er griff unter den Tisch und zog einen billigen Einwegkuli und einen violetten Notizblock hervor. Ich schrieb eine Nummer auf und schob ihm den winzigen Spiralblock wieder rüber.
    »Was ist das?«
    »Das ist eine Sondernummer, die jede wichtige Person in der Stadt kennt. Man ist direkt mit einer Telefonistin in der Notrufzentrale verbunden, die in jedem Stadtteil von New York City eine auf Abruf bereitstehende Elite-Spezialeinheit in Marsch setzen kann. Du musst nur diese Nummer anrufen, und in weniger als fünf Minuten rückt die Polizei in Mannschaftsstärke hier an – ohne Fragen zu stellen.«
    In meinen Jahren unter Gangstern und kriminellen Geschäftsleuten hatte ich eine ganze Schatzkammer voller Informationen zusammengetragen. Die Nummer für besondere Notfälle kam von Alphonse Rinaldo.
    »Wow.« Es kam nur selten vor, dass man Bug beeindrucken konnte.
    »Ja«, sagte ich. »Bevor du den ganzen Block in Schutt und Asche legst, rufst du vielleicht einfach dort an.«

52
    Die Zentrale der Regents Bank lag in der 6 th Avenue, Höhe 53 rd Street. Ihr gehört das gesamte Gebäude. Die Halle im Erdgeschoss erinnerte mit ihren fünfzehn Meter hohen Decken und Kristallwänden an einen futuristischen Ballsaal. Der Boden bestand aus einem riesigen Mosaik, die Kopie eines Höhlengemäldes australischer Ureinwohner, das ihren Gott, die Große Echse, darstellt, die über das Land des Menschen zieht.
    In der Halle gab es praktisch keine Möbel oder Raumteiler. Kleine Grüppchen standen vereinzelt herum und plauderten über wer weiß was. Am anderen Ende des gewaltigen Raums warteten drei junge Frauen an einem großen halbrunden Tisch darauf, den Zutritt zu den höheren Etagen der Regents Bank zu gewähren oder zu verweigern.
    Der Tisch war aus grünlich getöntem Plastik oder vielleicht auch Glas. Bei den jungen Frauen handelte es sich um eine Asiatin, eine Afroamerikanerin und eine Südamerikanerin – alle drei jung und in unterschiedlichem Maße hinreißend.
    »Ja? Kann ich Ihnen helfen?«, fragte das lächelnde asiatische Kind.
    »Leonid Trotter McGill«, sagte ich. »Ich möchte Oscar Shell sprechen.«
    »Aus welcher Abteilung?«
    »Er ist im besonderen Auftrag von Sandra Sanderson,

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