Falscher Ort, falsche Zeit
beiden Männern ins Gesicht geschrieben.
»Entweder ihr verzieht euch, oder ihr sterbt an Ort und Stelle«, sagte ich. »Ich bin ein, zwei Tage hier, dann zieh ich weiter. Ich kann euch bluten oder heil lassen.«
Der Weiße machte einen Schritt zurück und stieß gegen seinen Freund. Sie waren weise genug, zum Abschied nicht noch eine Drohung auszustoßen. Ich war offensichtlich geistesgestört und ihr glückliches Überleben noch keinesfalls gesichert.
Schaudernd setzte ich mich wieder hin und erkannte, vielmehr erkannte ich aufs Neue, dass ich mein eigener schlimmster Feind war. Die Wut in mir ließ sich nicht mehr lange bezähmen.
Gegen zwei Uhr nachmittags steckte ich mir einen Bluetooth-Knopf ins Ohr und fummelte mit dem Handy in der Tasche herum. Nachdem ich den unsichtbaren Hindernisparcours von vier Codes überwunden hatte, wurde ich zu einer einzelnen Nachricht weitergeleitet, die für mich im nicht existenten Miller Hotel hinterlassen worden war.
»Mr. Ouré«, sagte die angenehme, aber traurige Stimme einer jungen Frau. »Hallo. Ich glaube, das ist Ihr Zimmer. Hier ist Angelique Lear. Ich kann mich nicht an Sie erinnern, aber ich kenne, ich kannte ihre Nichte. Wenn Sie heute Abend um acht dieselbe Nummer anrufen, die Sie gestern gewählt haben, erzähle ich Ihnen, was ich weiß.«
Es war das erste Mal, dass ich die Stimme meiner Klientin hörte. Sie hatte ihre Worte mit Bedacht gewählt, und es war offensichtlich, dass sie einem Verwandten ihrer Freundin helfen wollte, mit der Sache abzuschließen.
Ich mochte sie umso mehr, was gut war, denn meine Rolle als Mann von der Straße war schwierig. Es war kalt, und meine Gelenke waren rostig.
Die nächsten fünf Stunden blökte und bettelte ich, stand hin und wieder auf, um mir die Beine zu vertreten, und behielt die beiden Bordsteinunternehmer im Blick, die ich gedemütigt hatte.
Sie kamen etwa jede Stunde vorbei, wahrten zwar Abstand, musterten mich jedoch misstrauisch. Dass ich sie mir zum Feind gemacht hatte, war ein großer Fehler gewesen, aber das Wasser war schon vor Stunden den Fluss hinunter und ins Meer geflossen.
Meine beiden neuen Widersacher bereiteten mir wenig Sorgen. Mein Problem lag vielmehr in der Natur jeder Durchfahrtsstraße. Angie konnte aus beiden Richtungen kommen. Wenn sie von Westen kam, war ich zwischen ihr und Patrick. Wenn sie von Osten kam, musste sie zuerst an ihm vorbei. Ich entschied, dass mein kleines Revier zu weit von Patricks Wagen entfernt war – also fing ich an, laute Selbstgespräche zu führen.
»Ihr verdammten Wichser!«, brüllte ich und machte einen Satz von der Mauer weg, als wäre sie ein mir feindlich gesonnenes Lebewesen. Ich trat gegen den kleinen Karton, so dass Kleingeld und Dollarscheine über mein kleines Territorium verteilt wurden. Ich trat noch mal gegen den Karton und ging ihm nach.
»O nein«, gelobte ich. »Ihr zwei kriegt mich nicht. Scheiße. Ich brech euch allen den Hals.«
Vor einer Mauer knapp zwei Meter von Patricks Wagen entfernt ging ich wieder in die Hocke. Der Wagen parkte mit der Fahrerseite am Bordstein, deshalb zog ich meinen Hut tief ins Gesicht, schlug den Mantelkragen hoch und hielt den Kopf gesenkt, während ich meine imaginierten Widersacher anbrüllte.
Das war der Test.
Wenn Patrick lediglich auf einer Sondierungsmission war, würde er mich ignorieren. Aber wenn er hier war, um meine sanfte Klientin zu ermorden, würde er meine Anwesenheit nicht akzeptieren.
»Leute sitzen in ihren scheiß Autos und bespitzeln uns«, sagte ich zu zwei vorbeikommenden Teenagern und zeigte auf Patrick. »Sie haben überall in der Stadt Spione, um uns fertigzumachen.«
Ich hoffte, indem ich die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, würde ich Patrick dazu zwingen, den Rückzug anzutreten und seinen Plan zu überdenken. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, waren Menschen, die sich sein Auto oder sein Gesicht genauer ansahen.
Die Jungen lachten mich aus und gingen weiter.
Patrick blickte in den Seitenspiegel auf der Fahrerseite. Dort musste er die schlanke junge Frau entdeckt haben, die zu der unsichtbaren Musik des Lebens die Straße hinunterhüpfte.
»Miss«, sagte ich, als sie in Hörweite war. »Miss, darf ich Sie etwas fragen?«
»Was denn, Vater?«, fragte das braunhäutige Mädchen. Sie trug eine bunt gestreifte Strumpfhose unter einem braunen Lederrock. Ihr Pullover war afghanisch, und die riesige bunte Mütze barg wahrscheinlich lange Dreadlocks.
»Was glauben Sie, wieso
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