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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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hockt ein Weißer einfach so in seinem Wagen und gafft einen Mann wie mich an?«
    Ich zeigte auf Patrick, und das Kind drehte sich um.
    Es war eine Meisterleistung, wie er den Kopf gerade so weit abwandte, dass es nicht auffällig war, während er gleichzeitig seine Gesichtszüge verbarg.
    »Brauchen Sie irgendwas, Vater?«, fragte das Mädchen.
    Ihre Augen waren von einem beunruhigenden Goldbraun. Ich spürte ihren prüfenden Blick und hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, sie in mein tödliches Spiel hineingezogen zu haben.
    »Mir geht es gut«, sagte ich mit meiner normalen Stimme. »Gehen Sie einfach weiter, und ich seh zu, dass ich in meine Unterkunft komme.«
    Sie beugte sich vor, strich dem übel riechenden Obdachlosen über die Wange und erinnerte mich daran, warum ich auf dem dunklen Highway, auf dem ich unterwegs war, eine Ausfahrt zur Erlösung suchte.
    Als das Blumenkind fünfzig Meter entfernt war, blickte Patrick erneut prüfend in den Rückspiegel. Unsere Straßenseite war von der einen bis zur anderen Ecke leer.
    Als ich das leise Klicken seiner Wagentür hörte, wusste ich eines mit Sicherheit – Angie war sehr wichtig für Patrick, und er hatte vor, sie zu töten, sobald sie in Reichweite kam.
    Wegen dieser einen Möglichkeit hatte ich Diego angerufen.
    Es bedeutete auch, dass mein Leben in Kürze von einem Mann bedroht werden würde, vor dem sogar Hush Respekt hatte.
    Mit der linken Hand fasste ich nach der Skimütze, die ich trug. Ich hatte sie Twill abgenommen, der sie als Tarnung benutzen wollte, als er plante, Mardis Vater umzubringen. Jetzt war sie mein Glücksbringer.
    Ich zog die Maske vors Gesicht und stand gleichzeitigauf. Ich war fast an der Wagentür, als der plumpe kleine Patrick mit deprimierender Schnelligkeit hinter dem Lenkrad hervorschoss.
    Er hielt etwas in der rechten Hand.
    Auch ich hatte etwas in meiner Rechten.
    Er kam blitzschnell hoch. Mein Boxtraining ließ mich instinktiv nach rechts ausweichen. Als ich mit dem Schlagring meines Messers ausholte, spürte ich seine Klinge brennend und stechend heiß in meinem linken Trizeps. Er setzte erneut zum Angriff an, aber mein erster Schlag hatte ihn langsamer gemacht. Der zweite Punch knockte ihn durch die offene Wagentür zurück in seinen Dodge.
    Sein Kopf lag auf der Beifahrerseite, seine Füße waren auf der Fahrerseite verheddert. Ich spürte warmes Blut über den kleinen Finger meiner linken Hand rinnen, doch bevor ich mich um mein eigenes Wohlbefinden kümmerte, beugte ich mich in den Wagen und verpasste Patrick einen weiteren Schlag.
    Näher als der pummelige kleine Typ war noch nie jemand dran gewesen, mich zu ermorden. Zehn Zentimeter weiter nach links, und er hätte mein Herz aufgespießt.
    Ich schob ihn in den Wagen, sprang hinterher und schlug die Tür zu. Dann fixierte ich seine Hände hinter seinem Rücken und band sie und seine Füße mit Plastikfesseln zusammen, die ich bei gefährlichen Fällen immer bei mir trage.
    Erst als ich ihn mit Klebeband geknebelt und seinen bewusstlosen Körper auf die Rückbank geschoben hatte, zog ich meinen Mantel und meinen Pullover aus, um meine Verletzung zu inspizieren.
    Etwas, das ich im Feldeinsatz ebenfalls stets bei mir führe, ist ein Erste-Hilfe-Set.
    Es war ein tiefer Schnitt, der jedoch nicht besonders stark blutete. Ich wickelte zwei breite Mullbinden um meinen Arm. Patrick hatte den Schlüssel im Zündschloss stecken lassen. Ich fuhr zu einer vergleichsweise verlassenen Straße in der Nähe des West Side Highway, ein paar Blocks nördlich vom Convention Center. Dort erhöhte ich den Druck auf die Wunde, bis die Blutung gestillt oder zumindest verlangsamt war, was etwa zwanzig Minuten dauerte.
    Dann ließ ich mich in den Sitz zurücksinken, erschöpft von dem Survival-Modus, in den ich verfallen war.
    Als der Kopf auf dem Rücksitz hochkam, richtete auch ich mich wieder auf. Ohne nachzudenken, schickte ich Patrick mit einer tödlichen rechten Geraden mindestens in die Bewusstlosigkeit zurück.
    Nachdem vier weitere Minuten verstrichen waren, nutzte ich meine frische Energie, um ein paar Blocks Richtung Norden zu fahren, wo ich einen Parkplatz und mehrere öffentliche Telefonzellen kannte.

46
    Ich kenne einen Mann namens Barry Holcombe. Barrys Geschäft besteht darin, spezielle Räumlichkeiten in und um New York unterzuvermieten. Leute brauchten häufig Räume für Rendezvous, geheime Treffen und andere Aktivitäten, die inoffiziell bleiben mussten. Manchmal mussten

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