Falscher Ort, falsche Zeit
stören.
Auf der Seite zur 27 th Street gab es einen langen First über einem Schrägdach. Dort machte ich es mir mit meinem Nachtsicht-Feldstecher mit eingebauter Digitalkamera und meinem Handy bequem. Solange ich mich nicht rührte, war ich durch meine dunkle Haut und meine Mütze hinreichend vor flüchtigen Blicken geschützt.
Die Straße war still. Die Abstände zwischen den vorbeikommenden Wagen wurden größer, hin und wieder spazierte ein Fußgänger in mein Blickfeld, in der Regel allein. Die meisten waren irgendwohin unterwegs, aber ein paar betraten auch Häuser wie das, auf dem ich saß. Ein pummeliger Mann in Windjacke und brauner Khakihose ging in eine Bodega neben dem Parkplatz. Eine Frau in einer Fellkragenjacke führte ihren Drei-Pfund-Hund Gassi. Ein verliebtes Pärchen blieb für einen Moment aneinander und an eine Stuckfassade gelehnt stehen.
Sie war eine stämmige Schwarze, er ein schlaksiger Typ mit heller Haut.
Die Küsse, die sie ihm gab, kriegte man nicht für Geld.
Der Abend wurde dunkler, der Verkehr dünnte weiter aus, ohne ganz auszusetzen.
Um neun rief ich die Nummer von John Prince an.
»Hallo?«
»John Prince?«, fragte ich mit einem leichten französischen Akzent.
Die folgende Stille zitterte förmlich. »Ja? Wer ist da?«
»Mein Name ist Henri Ouré. Meine Nichte ist … pardon … war Wanda Soa. Ich bin gerade angekommen, um sie zu besuchen, und die Polizei sagt mir, dass sie tot ist. In San Salvador habe ich einmal eine Freundin von ihr getroffen. Eine junge Frau namens Angelique. Dies ist die Nummer, die isch fürr sie ’abe.«
Der Akzent war schrecklich, doch das ist am Ende jeder Akzent. Das große Risiko, das ich einging, bestand in der Annahme, dass Angie und John sich schon nahegestanden hatten, als sie in Südamerika war.
»Dass mit Ihrer Nichte tut mir leid, Sir«, sagte John.
»Wissen Sie, was geschehen ist? Die Polizei will mir nichts sagen.«
»Das weiß ich wirklich nicht genau, Sir. Angie hat mir davon erzählt, aber sie, sie wusste nichts d-darüber.«
Von wegen.
»Wissen Sie, wie ich Angelique erreichen kann?«
»Ich bin morgen mit ihr verabredet«, sagte er. »Wenn Sie mir sagen, wo Sie sind, könnte ich sie bitten, Sie anzurufen.«
»Ich bin in Queens, im Miller Hotel«, sagte ich.
Das Miller war eine elektronische Schimäre, bestehend aus einer Reihe von Bandansagen, die den Eindruck erweckten, man sei mit einem Hotel mit automatischem Telefonsystem verbunden, das den Anrufer so lange weiterleitete, bis er frustriert eine Nachricht hinterlassen konnte.
Ich nannte ihm die Nummer des Hotels und meine fiktive Zimmernummer.
Während ich mit John sprach, hielt ich mein Fernglasauf die Eingangstür des Hauses gerichtet. Falls Angie sich bei ihm aufhielt, war es durchaus möglich, dass sie die Flucht ergriff, wenn sie hörte, dass jemand für sie anrief.
»Sobald ich sie sehe, sag ich ihr, sie soll Sie zurückrufen, Mr. Ouré«, sagte John.
Im selben Moment ging ein Mann an der Haustür von Prince vorbei. Er trug eine braune Windjacke und eine braune Khakihose.
»Vielen herzlichen Dank«, sagte ich.
»Kein Problem, Sir.«
Der Mann ging gut fünfzig Meter die Straße hoch und machte dann kehrt. Ich sah sein Gesicht in meiner Nachtsichtlinse und drückte vier Mal auf den Auslöser der Digitalkamera. Dann beobachtete ich, wie der Mann zu einem dunklen Auto amerikanischen Fabrikats ging, das an der nächsten Ecke parkte. Mit einem eingebauten Kabel verband ich das Fernglas mit meinem Handy und schickte die Fotos an Hush.
Dann saß ich auf dem Dach und fragte mich, was der pummelige kleine weiße Mann zu bedeuten hatte. Er hätte irgendwer sein können, der sonst was vorhatte. Nur weil er in einem Wagen in der 27 th Street saß, musste er nicht auf der Suche nach Angelique sein.
Mein Handy vibrierte.
Wo bist du , lautete die Textnachricht.
Ich tippte die Antwort.
Triff mich bei Bundy’s.
44
Bundy’s Barbecue machte die schärfte Sauce der Stadt und war nur ein paar Blocks von John Princes Wohnung entfernt.
Während ich auf Hush wartete, bestellte ich einen großen Teller Rippchen mit Kohl und Maisbrot. Zu dem Brot wird Olivenöl serviert – gegen die Übersättigung mit trans -Fettsäuren, nehme ich an.
Ich wurde sentimental wie ein Unteroffizier der Reserve, der an einem Tag mit seinen Töchtern im Garten Federball spielt und am nächsten an der Front in Afghanistan steht.
»Du hast es echt drauf, dich in die Scheiße zu reiten, was, LT
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