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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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diese Räumlichkeiten auch schalldicht und unterteilt sein, mit einem Einwegspiegel zwischen beiden Abschnitten.
    Ich rufe Barry nur von öffentlichen Telefonzellen aus an.
    »Hallo«, meldete er sich nach dem ersten Klingeln.
    »Leonid hier. Ich brauche einen Raum, um einen Bewerber zu interviewen.«
    »Ich hab da vielleicht was für dich. Möchtest du das Objekt vorher besichtigen?«
    »Keine Zeit.«
    »Die Miete ist um fünfhundert gestiegen.«
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Ein Vergnügen, Geschäfte mit dir zu machen.«
     
    Ich fuhr zur 18 th Street in der Nähe des West Side Highway, öffnete den Kofferraum von Patricks Wagen und war angenehm überrascht, dort ein großes Stück Sackleinen zu entdecken. Darin wickelte ich den nach wie vor bewusstlosen Patrick auf der Rückbank ein, so dass er weniger menschenförmig aussah. Anschließend wartete ich siebzehn lange Minuten – bis kein Wagen und kein Fußgänger mehr in Sicht war.
    Dann verfrachtete ich den kleinen Mann möglichst schnell in den Kofferraum. Mit zwei weiteren Fesseln band ich seine Hände und Füße an einen Haken unterhalb des Schlosses, was die Wahrscheinlichkeit, dass er lautstark gegen die Kofferraumklappe treten konnte, deutlich verringerte.
    Am Empfang des Tesla Building lag ein Umschlag für mich bereit. Barry Holcombe ist ein tüchtiger und flinker Vermieter.
     
    Die angegebene Adresse befand sich in der Nähe der Brooklyn Naval Yards. Die Wegbeschreibung führte mich in einen engen Hinterhof inmitten verlassener Lagerhäuser. Dort benutzte ich einen der drei Schlüssel für die Außentür, den zweiten für einen Zwei-Personen-Aufzug. Ich schleifte Patricks Körper in den Fahrstuhl und fuhr drei Etagen abwärts. Dort folgte ich einem Flur bis zu einer braunen Tür. Dahinter lagen zwei nackte Betonräume, die durch eine Tür miteinander verbunden waren. Über eine provisorisch installierte Kamera im ersten Raum konnte man auf einem Monitor im Nebenraum verfolgen, was dort vor sich ging. Im ersten Raum stand ein im Boden verankerter Metallstuhl, komplett mit Hand- und Fußfesseln.
    Ich hatte Patrick gerade fertig angekettet, als mein Handy klingelte.
    Ich ging in den Beobachtungsraum, schloss die Tür hinter mir und meldete mich.
    »Hallo?«
    »Ich bin’s«, sagte Diego. »Gepäckausgabe American Airlines, internationale Flüge.«
    »Fünfundzwanzig Minuten.«
     
    Diego stand aufrecht neben einem olivgrünen Seesack wie das Abbild von etwas, das nicht von dieser Welt war. Er trug eine kragenlose schwarze Jacke und eine formlose schwarze Hose, dazu Schuhe aus geflochtenem rotbraunem Leder. Der Strohhut auf seinem Kopf war ein uralter Vorläufer des Panamas.
    Diegos Haut hatte den dunklen Ton der tiefroten Backsteine, aus denen Fabriken in einer Zeit bestanden, als Kinder noch vierzehn Stunden am Tag arbeiteten. Sein Gesicht war breit und voller Mitgefühl für irgendetwas lange Verschwundenes – oder vielleicht nur Verborgenes.
    »Hey, Mann«, begrüßte ich ihn. Keine Namen in der Öffentlichkeit.
    Er war etwa so groß wie ich, mit einem nur wenig feineren Knochenbau. Der Südamerikaner strahlte eine Vitalität aus, die mich vergleichsweise schläfrig wirken ließ. Seine Hände schienen kräftig genug, um Walnüsse zu knacken.
    Er streckte seine Pranke aus und wir testeten unsere Kräfte mit einer Bekundung der Freundschaft.
    »Komm«, sagte ich.
     
    »Ich muss nur eins von dem Typen wissen«, sagte ich auf der Fahrt zu unserem vorübergehenden Versteck. »Wer hat ihn engagiert, Angelique Lear zu töten?«
    »Das ist alles?«
    »Das ist alles.«
    »Wie geht’s Twill?«, fragte er dann.
    Twill und ich hatten vor ein paar Jahren mit Diego am Lake Tahoe geangelt. Dimitri hatte sich geweigert mitzukommen, und Shelly machte nicht gern Sachen, bei denen sie kein Kleid tragen konnte.
    »Er hat Ärger.«
    Diego grinste.
    »Er ist ein guter Junge«, sagte mein sehr fremder Freund. »Er wird immer für dich da sein, so wie du für ihn.«
    Bei meinem aktuellen Gefühlszustand traute ich meiner Stimme nicht recht, also nickte ich nur und fuhr weiter.
     
    Als wir in Barry Holcombes Räumen ankamen, war Patrick wach. Auf dem Monitor sahen wir seine Augen, die in die Kamera starrten.
    Nachdem er Patrick eine Viertelstunde betrachtet hatte, nahm Diego einen dreibeinigen Hocker aus einer Ecke des Beobachtungsraums und betrat das Nebenzimmer. Ich sah, wie er ihn vor Patricks Stuhl aufbaute und sich daraufsetzte.
    Eine Art Stoß fuhr durch Patricks

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