Falscher Ort, falsche Zeit
nicht.
Irgendwas an dem vorausgehenden Schweigen verhinderte, dass ich mich emotional auf das extreme Verhör einließ. Es wirkte nicht wie Folter, solange die beiden Männer sich in ihrem Schweigen ebenbürtig waren. Aber als ich dann Patricks flehende Stimme hörte, setzte sie mir doch zu.
Ihr Klang ließ mich aufspringen.
Zehn Minuten verstrichen. In dieser Zeit begann ich an meinem Vorgehen zu zweifeln. Es stand außer Frage, dass ich wissen musste, warum Patrick in dieser Straße gewartet und wer ihn geschickt hatte, aber ich schämte mich dafür, mich im Nebenraum zu verstecken, während Diego die Fragen stellte. Und mehr noch, ich fühlte mich schuldig. Es gab keine Entschuldigung dafür, dass ich den Südamerikaner auf Patrick losgelassen hatte. Das war sträflich, und ich wusste, dass ich irgendwann dafür bezahlen würde.
»Sag es mir!«, schrie Patrick.
»Ich frag dich nur ein Mal«, warnte Diego ihn.
»Frag einfach.«
»Und wenn du zögerst oder lügst, lasse ich dich hier verbluten. Und glaub mir, mein Freund, hier unten wird dich kein Mensch finden.«
Ich war der Antwort zu nahe, um die Trance zu durchbrechen.
»Was?«, bellte Patrick.
»Wer hat dich engagiert, Angelique Lear zu töten?«
Die Frage summte unheilvoll in der stillen unterirdischen Luft. Ein paar Sekunden lang blieb die Tonübertragung aus dem Nebenraum stumm.
Patrick musterte das Gesicht seines Todes und überlegte … aber nicht lange.
»Terry Lord«, sagte er zitternd. »Terry Lord aus Washington, D . C .«
47
»McGill?«, meldete sich Alphonse Rinaldo um 3:17 Uhr in der Früh an seinem Spezialhandy. Ich musste seinen Schlaf gestört haben, aber seine Stimme klang klar und wach.
»Ja.«
»Schlaf weiter, Schatz«, sagte er zu irgendjemandem, der mit ihm im Zimmer war. »Es ist bloß was Geschäftliches.«
Ich hatte nie erwartet, dem Familienleben des wichtigen Mannes so nahe zu kommen.
»Ich hab hier einen Namen, zu dem ich von Ihnen gerne was hören würde.«
»Schießen Sie los.«
»Man hat mir gesagt, dass eine Person namens Terry Lord die Ermordung der Frau in Auftrag gegeben hat, die Sie Tara Lear nennen.«
Schweigen.
Diego kam zurück ins Beobachtungszimmer, während ich wartete.
»Wir müssen uns treffen«, sagte Rinaldo.
»Gut«, sagte ich. »Aber können Sie mir sagen, ob die Behauptung einen Sinn ergibt? Wir haben den Auftragnehmer hier.«
»Ich verstehe es nicht, aber es könnte durchaus Sinn ergeben«, sagte Alphonse. »Und kein Mensch, der halbwegs bei Verstand ist, würde mit Terrys Namen bluffen.«
»Ich treffe Sie um sechs in Grimaldi’s Diner, 56 th Street, Ecke 1 st Avenue«, sagte ich. »Und haben Sie einen Draht zur Polizei, ohne über Christian gehen zu müssen?«
»Selbstverständlich. Was brauchen Sie?«
Ich nannte einige Koordinaten in der Nähe des Columbus Circle.
»Die Polizei soll einen dunkelgrünen Dodge durchsuchen, der dort in einer Stunde parken wird. Sagen Sie ihnen, sie sollen den Mann, den sie finden, so lange wie möglich festhalten.«
Er wiederholte die Koordinaten und versprach, dass die Sache erledigt würde.
Ich reichte Diego eine Spritze mit einem Beruhigungsmittel.
»Gib ihm nur die Hälfte«, sagte ich. »Bei dem ganzen Blut, das er verloren hat, könnte ihn die volle Dosis umbringen.«
Um fünf Uhr verabschiedete ich Diego am Flughafen-Shuttle von Grand Central Station. Wir hatten die Wunde des Killers verbunden und ihn mit grobem Sackleinen zugedeckt auf der Rückbank seines in einer Nebenstraße in Midtown geparkten Wagens liegen lassen.
»Woher wusstest du, dass er reden würde?«, fragte ich meinen Kameraden.
»Er kannte sich zu gut mit dem Töten aus. Er wusste, wie weit ich gehen würde, wenn er nicht nachgeben würde.«
Ich erschauderte sichtlich. Diego sah mich mit seinem unschuldigen, unbarmherzigen Blick an.
»Du hättest ihn umbringen sollen«, sagte er. »Lebend wird er versuchen, dich zu finden.«
»Ja«, sagte ich. »Vielleicht. Wir sehen uns, mein Freund.«
Wir gaben uns die Hand, und Diego lächelte, wobei sein breites Gesicht Freundschaft und so etwas wie Mitleid ausdrückte.
Ich war eine Viertelstunde zu früh im Grimaldi’s, aber Alphonse war trotzdem noch vor mir da. Es war nicht das erste Mal, dass er mich an Twill erinnerte … und an Hush.
Der Anzug, den er trug, stammte aus Italien und aus einem Preissegment, das dem Sommerurlaub einer Mittelschichtfamilie entsprach. Er war dunkelrot, darunter trug er ein weißes
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