Falsches Blut
knarzte, als ich eintrat. Augenblicklich verstummte das spanische Geplapper.
» Hallo? « , rief ich und schob den dicken Samtvorhang zur Seite, der die Vorhalle vom eigentlichen Kirchenraum trennte. Das Hauptschiff war etwa tausend Quadratmeter groß und mit einer riesigen Tanzfläche, einer Bühne für die Live-Band und einer Bar auf der linken Seite ausgestattet. Zwei Frauen hispanischer Herkunft wischten den Boden, während ein schwarzhaariger Mann mittleren Alters hinter dem Tresen herumwerkelte. Ich winkte den Putzfrauen zu, die jedoch keinen Mucks von sich gaben.
» Was wollen Sie? « Der Barkeeper hielt inne und beugte sich mit finsterer Miene über die steinerne Bar. Er war dünn, hatte ein kantiges Gesicht mit welligem schwarzem Haar. Er sah aus wie Mick Jagger mit fünfundvierzig, hätten die Rolling Stones nicht Karriere gemacht. Ich hielt ihm meine Dienstmarke vor die Nase, sorgsam darauf bedacht, meinen Arm so auszustrecken, dass Mick meine Waffe bemerkte.
» Sind Sie der normale Barkeeper hier? «
» Kommt darauf an, wie Sie normal definieren. «
In diesem Punkt musste ich ihm Recht geben. Ich befestigte meine Dienstmarke wieder am Gürtel und lehnte mich gegen den Tresen, während Mick einen Karton Bud light hochhob, ein Butterfly-Messer mit einer gut fünfzehn Zentimeter langen Klinge herauszog und wie ein Fleischer den Karton aufschlitzte. Ich verlagerte mein Gewicht und ließ den Arm sinken, um notfalls meine Waffe ziehen zu können.
» Also noch mal– was wollen Sie? « , fragte Mick und ließ das Messer wieder in seiner Tasche verschwinden. Ich sah über die Schulter zu den beiden Frauen hinüber, die immer noch wie angewurzelt dastanden.
» Sagen Sie den beiden, dass ich nicht vom Finanzamt komme, okay? « Ich wies mit dem Daumen in ihre Richtung. » Sie scheinen ein bisschen verstört zu sein. «
Er nickte und rief den beiden etwas auf Spanisch zu. Ich hätte es selbst tun können, wollte aber sehen, wie er sich verhielt. Seine Reaktion beruhigte mich einigermaßen. Wenn er sich nicht zu schade war, die Putztruppe zu beruhigen, endete unsere Begegnung ja vielleicht doch nicht mit einem Schusswechsel.
Währenddessen zog ich meine Brieftasche heraus und suchte das Foto, das mir meine Schwester vor etwa einem Jahr gegeben hatte. Es war eine Porträtaufnahme von Rachel für ihr Jahrbuch. Sie war gut getroffen. Ich schob ihm das Foto hin. » Haben Sie dieses Mädchen schon mal gesehen? «
Mick betrachtete es, dann schob er es wieder zurück. » Nö. Ist nicht unser Klientel. «
» Sie mögen sie wohl ein bisschen lebendiger « , sagte ich und schob ihm das Foto wieder hin. » Das ist meine Nichte, und sie ist tot. Klingelt da vielleicht etwas bei Ihnen? «
Mick verzog das Gesicht, nahm zwei Bierflaschen und stellte sie in die Kühlung hinter der Bar. » Das tut mir sehr leid « , sagte er, » aber ich würde nicht mal was an sie ausschenken, wenn sie mir ihren Ausweis, ihren Führerschein und ihre Geburtsurkunde zeigen würde. Wie gesagt– ist nicht unser Klientel. Kids werden hier nicht bedient. «
Ich zog mein Handy aus der Tasche und ging die gespeicherten Fotos durch, bis ich zu der Aufnahme von Alicia Weinstein stieß, die ich am Vormittag geschossen hatte. Mein Display war ziemlich klein, aber groß genug, um ihre Züge erkennen zu können. Ich hielt es ihm vors Gesicht. » Und was ist mit ihr? «
Micks Augen weiteten sich. » Die ist ab und zu mal hier « , sagte er. » Bezahlt ihre Drinks nie selbst. «
Ich steckte mein Handy wieder ein. » Wollen Sie vielleicht Ihre Aussage, dass Sie an Kids keinen Alkohol ausschenken, noch mal überdenken? «
Mick hielt mitten in der Bewegung inne und lehnte sich gegen den Tresen. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. » Die ist noch minderjährig? «
Ich nickte, worauf Mick einen unterdrückten Fluch ausstieß.
» Ohne Ausweis kommt hier keiner rein « , sagte er und hob die Hände. » Wenn die Türsteher sie reinlassen, sind sie für mich einundzwanzig und kriegen auch was zu trinken. «
» In diesem Fall würde ich Ihnen dringend raten, Ihren Türstehern mal auf den Zahn zu fühlen. «
» Da haben Sie wohl Recht. « Er stützte sich auf den Ellbogen ab. » Trotzdem haben Sie mich nicht festgenommen. Also, was wollen Sie? Einen Drink? Kohle? Oder was? «
» Ich will Informationen. « Ich zog einen Barhocker heran, setzte mich und faltete die Hände vor mir auf dem Tresen. » Ich will wissen, was für ein Art Laden das hier
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