Falsches Blut
und durch den Vorgarten bis zum Gehsteig. Dort blieb ich stehen und sah mich um. Alles still und dunkel; weit und breit war niemand zu sehen. Ein leiser Schauder, der nicht von der abendlichen Kühle herrührte, lief mir über den Rücken. Wie unheimlich.
Ich ging ins Haus zurück, um Hannah und Megan zu holen. Bevor wir aufbrachen, erinnerte ich Rana daran, die Alarmanlage einzuschalten, sagte ihr jedoch nicht, warum. Sie und Nassir würden schon zurechtkommen. Es war ein wohlhabendes Viertel, in dem die Polizei ziemlich häufig Streife fuhr. Sollte jemand versuchen, ins Haus einzubrechen, würde er verhaftet werden, noch bevor er die Haustür geknackt hatte. Doch ich bezweifelte, dass der geheimnisvolle Unbekannte hinter Rana und Nassir her war. Er hatte mich beobachtet– was einigermaßen besorgniserregend war, wenn man bedachte, dass bereits zwei Menschen tot waren.
6
Am nächsten Morgen ging Hannah mit Megan einkaufen, so dass ich das Haus eine gute Stunde für mich allein hatte. Ich ging in mein Arbeitszimmer, setzte mich auf den Schreibtischstuhl und drehte mich nachdenklich im Kreis. Inzwischen ging es bei dem Fall nicht mehr nur um Rachel, sondern auch um Robbie Cutting. Ich musste alles über ihn in Erfahrung bringen, was ich konnte. Ich fuhr meinen Computer hoch und öffnete meinen Webbrowser. Die Cuttings gehörten zu den reichsten Familien der Stadt; hoffentlich hatten sie nicht am Überwachungssystem für ihr Haus gespart. Als Nächstes googelte ich John Meyers’ Kanzlei und rief an. Eine Sekretärin meldete sich und legte mich in die Warteschleife, während sie mit ihrem Chef sprach. Ich holte mir solange eine Tasse Kaffee aus der Küche. Schließlich hatte ich John Meyers an der Strippe. Im Hintergrund war die Geräuschkulisse eines typisch hektischen Büroalltags zu hören.
» John Meyers am Apparat « , sagte er. » Was kann ich für Sie tun, Detective? «
» Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen « , sagte ich und kehrte in mein Arbeitszimmer zurück. » Ich ermittle in einem Fall, der mit Robbie Cuttings Tod in Zusammenhang steht, und wollte herausfinden, ob die Cuttings eine Videoüberwachungsanlage im Haus installiert haben. «
Meyers schwieg einen Moment lang. » Mir wurde gesagt, dass die Ermittlungen im Todesfall von Rachel Haddad und Robbie Cutting eingestellt worden seien. «
» Im Großen und Ganzen « , sagte ich. » Die Mordermittlungen sind tatsächlich eingestellt, trotzdem sind da noch ein paar offene Fragen, die wir gern abklären würden. Rachel ist vermutlich an einer Überdosis gestorben, allerdings konnten wir bisher keine Drogen bei ihr finden. Wir versuchen herauszufinden, was genau passiert ist. «
» Und die Aufzeichnungen der Überwachungskamera würden Ihnen dabei helfen? « , hakte Meyers nach.
Ich überlegte kurz. » Ich darf derzeit leider keine Ermittlungsdetails preisgeben « , antwortete ich dann; auf die Schnelle fiel mir nichts Besseres ein.
» Dann tut es mir leid, denn ich sehe nur eine Möglichkeit, wie Sie an die Videobänder gelangen. Mit einem Gerichtsbeschluss, Detective. «
Scheiße.
Ich ließ langsam den Atem entweichen. » Lieutenant Bowers und ich sind uns in einigen Fragen nicht ganz einig « , fuhr ich schließlich fort. » Ich möchte mir das Band gern ansehen, um sicherzugehen, dass Robbie Cutting tatsächlich allein war, als er gestorben ist. «
Meyers schnalzte mit der Zunge. » Also geht es um Robbies Tod « , sagte er. » Ist das eine offizielle Anfrage? «
» Nein. «
» Und wenn ich Ihnen sage, Sie sollen sich einen Durchsuchungsbeschluss besorgen? «
» Dann werden Ihre Mandanten niemals herausfinden, was wirklich mit ihrem Sohn passiert ist « , erwiderte ich schärfer als beabsichtigt. Ich hörte Meyers’ schweren Atem am anderen Ende der Leitung.
» Es tut mir leid, aber so sieht es nun mal aus. Der Fall ist offiziell abgeschlossen, und ich bin der Einzige, der Ihren Mandanten helfen kann zu erfahren, wie ihr Sohn umgekommen ist « , legte ich nach.
» Bitte geben Sie mir einen Moment, um mich mit den Cuttings zu beraten. Ich rufe Sie gleich zurück. «
Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte Meyers aufgelegt. Einen Moment lang stand ich einfach da, den Hörer fest umklammert, doch dann zwang ich mich, meinen Griff zu lockern und mich zu entspannen. Ich sehnte mich nach einem Drink, was ein gutes Zeichen war, da es bedeutete, dass ich den Alkohol nicht wirklich brauchte.
Ich nahm das Telefon mit ins Wohnzimmer. Im
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