Falsches Blut
halbwegs herzeigbar aus. Zumindest brauchte ich so keine Angst mehr zu haben, in eine Gabel zu treten. Da ich nichts zu Mittag gegessen hatte, machte ich mir ein Sandwich mit Putenbrust und verputzte die Reste des Kartoffelsalats, den ich im Kühlschrank gefunden hatte, bevor ich ins Arbeitszimmer ging. Mein Computer lief noch. Ich rief meine Mails ab und druckte das Dokument aus, das Mack mir geschickt hatte. Karen Reas Lebenslauf war noch beeindruckender, als er am Telefon geklungen hatte. Mack hatte zwar die Forschungsgelder am MIT erwähnt, nicht aber die Zahl ihrer Publikationen und Präsentationen– die Liste war zwei DIN -A4-Seiten lang. Ich überflog sie, während ich mein Sandwich verputzte. Obwohl ich keine Ahnung hatte, worum es bei Karens Forschungsarbeit ging, fiel mir etwas auf: Bei drei Artikeln erschien sie als Koautorin eines gewissen Dr. Doug Wexler, der an der Stanford ihr Tutor gewesen war. Noch auffälliger war, dass zwei der Artikel aus der Zeit vor ihrer Auszeit aus dem akademischen Betrieb stammten, der dritte jedoch danach verfasst worden war. Möglicherweise hatten die beiden Kontakt gehalten, was hoffentlich bedeutete, dass er mir etwas über ihren Verbleib während dieser fünf Jahre erzählen konnte. Das könnte ein Anfang sein.
Ich schlang die Reste meines Sandwichs hinunter, wischte mir die Hände an den Hosenbeinen ab und googelte Dr. Wexler. Als erstes Suchergebnis erschien eine Fakultätsliste der Stanford University. Wexlers Lebenslauf war nicht ganz so lang wie Karens, aber auch er hatte im Fachbereich Genetik promoviert und mehrere Dutzend Publikationen dazu verfasst. Ich zog mein Handy heraus und wählte seine Nummer, obwohl ich bezweifelte, dass ich ihn an die Strippe bekommen würde. Aber einen Versuch war es wert.
Nach dem zweiten Läuten hob jemand ab. » Mikrobiologie. Wie kann ich Ihnen helfen? «
Offenbar hatte ich seine Sekretärin erwischt.
» Ja, hallo. Ich bin Mike Bowers und rufe von West Labs in Indianapolis, Indiana, an. Ich hätte gern Dr. Wexler gesprochen. Es geht um eine ehemalige Kollegin, Dr. Karen Rea. «
» Oh, Karen, ja. Wir haben schon eine ganze Weile nichts mehr von ihr gehört. Wie geht es ihr denn? «
Ich beugte mich vor. » Gut, nehme ich an. Sie hat sich um eine Stelle in meiner Abteilung beworben und Dr. Wexler als Referenz angegeben. Kennen Sie sie? «
Ich öffnete ein Worddokument.
» Nicht näher, aber ich weiß noch, dass sie sehr nett war. Immer ein Lächeln auf den Lippen und ein freundliches Wort für jeden. Normalerweise ist Dr. Wexler telefonisch nicht zu sprechen, aber ich nehme an, bei Ihnen macht er eine Ausnahme. Ich stelle Sie in sein Labor durch. «
Bevor ich etwas erwidern konnte, ertönte Aufzugsmusik. Ich nutzte die Wartezeit, um mir ein paar Notizen zu machen. Wenn ich der Sekretärin Glauben schenken konnte, war Karen bei ihren Kollegen überaus beliebt gewesen. Allerdings bezweifelte ich, dass sie bei dieser Meinung bleiben würden, wenn sie wüssten, dass sie in ihrer Freizeit als Vampirin durch die Gegend tanzte. Nach etwa fünf Minuten endete die Musik.
» Hi, hier ist Doug Wexler. Susan sagte mir, Sie rufen wegen Karen an. Was kann ich für Sie tun? «
» Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Dr. Wexler. Bestimmt hat Ihnen Ihre Sekretärin bereits erzählt, dass mein Name Mike Bowers ist und ich im Auftrag von West Labs anrufe. Wir ziehen in Betracht, Dr. Rea bei uns zu beschäftigen, und sie hat Sie als Referenz angegeben. Ich wollte nur hören, ob die tollen Dinge, die sie über sich geschrieben hat, auch der Wahrheit entsprechen. « Dr. Wexler lachte leise, was hoffentlich bedeutete, dass er Vertrauen gefasst hatte.
» Sie ist eine der kompetentesten Wissenschaftlerinnen, die ich kenne, deshalb gehe ich davon aus, dass all die wunderbaren Dinge, die Sie über sie gehört haben, auch stimmen. Sie rufen von West Labs an, sagten Sie? Der Name sagt mir leider gar nichts. «
» Wir sind ein aufstrebendes Biotech-Unternehmen in Plainfield, Indiana « , antwortete ich hastig. » Noch stecken wir in den Kinderschuhen, aber man weiß schließlich nie, was morgen sein wird. «
» Das ist allerdings wahr « , stimmte Dr. Wexler zu. » Start-ups sind eine sehr spannende Sache, und es freut mich zu hören, dass Sie Karen mit ins Boot holen wollen. Ich habe schon viel zu lange nichts mehr von ihr gelesen. In welcher Sparte sind Sie denn tätig? «
Ich hustete, um Zeit zu schinden, während ich fieberhaft nachdachte.
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