Falsches Spiel: Roman (German Edition)
Weiden und undefinierbares Buschwerk, das im Dialekt bisún hieß. Ich hatte mir eine Angelschnur gebastelt und sie an einen Bambusstock geknotet. Nylonfaden, Köder und Blei warf ich aufs Wasser hinaus und befestigte den Stock dann mit Steinen, damit die Schnur gespannt blieb. Wenn ein Fisch anbiss und an der Leine zappelte und ich ihn zu mir heranzog, dann war das, als würde ich ein Weihnachtsgeschenk öffnen, bis tatsächlich ein Döbel oder eine Barbe oder ein Karpfen zum Vorschein kamen.
Abends bereitete meine Mutter ihn zu, und mein Vater ließ sich zu einem seiner seltenen Lächeln hinreißen. Er lobte den Fisch und mich und meine Mutter. An solchen Abenden war ich ganz ruhig, aber nichts ging mir über diese Nachmittage, an denen ich im kühlen Schatten der Weiden auf einem Stein saß und ins fließende Wasser und auf meinen Bambusstock schaute, der sich mit dem Spiegelbild der Wolken vermischte.
Das Tor öffnet sich, und das Geräusch holt mich in die Wirklichkeit zurück. Ich heiße Silvano Masoero, genannt Silver, bin über sechzig Jahre alt, Ex-Boxer und vorbestraft. Jetzt steht mir eine wichtige Partie bevor, und ich muss sie gut spielen, da ich der Einzige bin, der es sich leisten kann, sie zu verlieren.
Ich lasse die Kupplung kommen und fahre durchs Tor, das sich hinter mir wieder schließt. Nachdem ich den Platz überquert habe, auf dem die Journalisten parken, fahre ich am Eingang der Anderen und dem Schiedsrichtereingang vorbei und bin schließlich auf Höhe unserer Kabine.
Unter dem Vordach stehen Autos.
Das vom Mister ist nicht dabei.
Andrea, einer meiner Assistenten, steht vor dem Eingang und wartet auf mich. Er ist groß und kräftig. Seine Augen liegen tief in den Höhlen, und seine drahtigen Haare wuchern wild. Die Auswirkungen einer leichten Akromegalie unterstreichen noch den Eindruck körperlicher Kraft, der sich unmittelbar mitteilt. Tatsächlich ist jetzt er der Starke, der niemandem auf den Sack geht.
Ich bleibe direkt vor seinen Füßen stehen, steige aus meinem Minivan und schiebe die Tür auf. Das Geräusch, mit dem sie über die Schiene gleitet, übertönt beinahe Andreas Gruß.
»Hallo, Silver.«
Andrea hat eine tiefe, kehlige Stimme. Wenn er nervös oder aufgeregt ist, hat er Schwierigkeiten, die Worte herauszubringen. Es fehlte nicht viel, und die Natur hätte ihn zum Stotterer gemacht. Als er bei uns anfing, wurde er von den anderen Mitarbeitern gelegentlich gehänselt. Ich habe ihnen einen Vortrag gehalten und erklärt, dass er unverzichtbar für mich sei, während ich jeden anderen jederzeit ersetzen könne. Von da an haben sie ihn in Ruhe gelassen.
»Hallo, Andrea.«
»Hast du die Jungs gesehen? Wie geht es Roberto?«
»Nein, ich habe sie nicht gesehen. Ich bin lieber nicht ins Hotel gefahren. Sie brauchen jetzt ihre Ruhe.«
Andrea ist der erste Fan meines Sohns und einer der größten Fans der Mannschaft. Trotzdem kann ich ihm nicht sagen, warum ich nicht ins Martone gefahren bin. Meine Erklärung muss ihm genügen.
»Ist Liborio schon da?«
»Ja, er ist drin und zieht sich um.«
Liborio Sciascia ist ein weiterer meiner Assistenten. Er wird gerade in der Kabine seine Teamkleidung anziehen, die alle bei den Spielen tragen. Und den Überwurf, mit dem man sich Zutritt zum Spielfeld verschafft und für die Spieler sofort erkennbar ist.
»Hol ihn her, damit ihr das Zeug ausladen könnt. Ich zieh mich auch schnell um und helfe euch dann beim Verteilen.«
Verteilen bedeutet, dass die Spieler alles griffbereit in ihrem Spind vorfinden, wenn sie sich umziehen wollen. Trikothemd, Hose, Strümpfe, Schienbeinschoner, Schuhe, Handtücher. Die Ersatzsachen behalten wir, falls während des Spiels schnell Hemd oder Hose gewechselt werden müssen.
Ich lasse Andrea stehen und trete in den Gang, der zur Kabine führt. Zunächst passiere ich die ›Arena‹, also die Zone, in der sich zu beiden Seiten die Journalisten aufstellen, um den Spielern, die einer nach dem anderen hier durchkommen, ihre Fragen zu stellen. Das Szenario erinnert mich immer an die Kraftproben der Indianer im Western, wenn jemand durch ein Spalier von Kriegern läuft, die mit Stöcken auf ihn einschlagen.
Bevor ich mich umziehe, folge ich noch einer alten Gewohnheit.
Wie die Spieler gehe ich, bevor ich mich in die Kabine begebe, zum Spielfeld.
Sobald ich aus dem Tunnel trete, liegt das gesamte Stadion vor mir. Das grüne Rechteck ist wie ein Zirkus, der auf die Gladiatoren wartet. Die Menschen auf den
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