Falsches Spiel: Roman (German Edition)
In Anbetracht der Ereignisse halte ich mich mit derartigen Urteilen aber lieber zurück. Ein Mann, für den ich die Hand ins Feuer gelegt hätte, hat mich um eine Hand kürzer gemacht. Ein anderer hat soeben in meinen Armen den Geist ausgehaucht und mir nichts als einen Zettel mit seinen Absichten und ein Handy hinterlassen.
Großes Vertrauen habe ich nicht mehr, nicht einmal in mich selbst.
Colombo kommt und zielt mit einer gespielten Geraden auf mein Kinn. Das ist eine handfeste Geste, eine Vertraulichkeit unter Sportlern, obwohl wir eigentlich beide aus dem Alter raus sind.
»Hallo, Alter. Alles klar für den großen Tag?«
Ich versuche, wie immer zu sein, auch wenn ich nicht weiß, ob mir das gelingt.
»Unbedingt. Wie geht’s dem Raubein?«
Die Frage stelle ich, weil es das ist, was sie von mir erwarten. Colombo lächelt, um die Begeisterung zu demonstrieren, die man einem Vater schuldig ist, selbst wenn sein Sohn eine miese Type sein sollte.
»Der platzt vor Energie. Roberto ist in Bestform, psychisch und physisch. Alle sind es. Sie wissen, dass es heute um die Wurst geht.«
Er schaut mich an.
»Und was ist mit dir? Stimmt irgendetwas nicht?«
Liborio und Andrea, die den Mannschaftsbus ausladen, kommen mit ein paar Taschen an uns vorbei. Wir treten beiseite, um ihnen Platz zu machen, und ich nutze die Gelegenheit, um mir eine Erklärung einfallen zu lassen. Schließlich kneife ich die Augen zusammen und lege eine Hand auf den Bauch.
»Könnte besser gehen. Ich habe entsetzliches Magenkneifen.«
»Das wird die Anspannung sein. Geh zu Villa, er soll dir ein Maalox geben. Nach zehn Minuten geht es dir besser.«
Jetzt mischt sich Manzani ein, ein sympathischer Typ um die vierzig mit dem weichgespülten Akzent und dem typischen Witz der Toskana. Mit seinem ungepflegten Bart wirkt er immer ein bisschen wie ein Streuner.
»Vielleicht solltest du besser Xanax nehmen. Wenn du mich fragst, scheißt du dir fast in die Hose. Wie wir alle im Übrigen.«
Mit vertraulicher Miene tritt er an mich heran und senkt ein wenig die Stimme.
»Ich will dir mal was sagen. Wer heute behauptet, ruhig zu sein, bringt den Lügendetektor zum Explodieren.«
Wir lachen. Um die Nervosität zu überspielen und die Anspannung zu lösen. Doch die Angst, die in mir nagt, lässt sich nicht austreiben. Sie bleibt und vergräbt ihre eisigen Hände an einem Ort jenseits meines Körpers. Kein Medikament der Welt könnte sie bekämpfen. Mir bliebe nur die Flucht.
Doch das ist keine Option.
Nach dem Wortwechsel gehen die beiden weiter, und ich bin wieder allein. In diesem Moment höre ich draußen einen Schrei. Ich weiß, was los ist. Wenn die Spieler im Stadion eintreffen, gehen die meisten zunächst aufs Spielfeld hinaus, um den Zustand des Rasens zu testen, bevor sie sich in die Kabine zurückziehen. Sie schnuppern die Luft, das Gras, die Atmosphäre, sie berühren den Boden. Und sie nehmen den Applaus der bereits eingetroffenen Zuschauer entgegen. Dann kehren sie zurück, ziehen sich aus und legen das Trikot an. Wer noch eine Massage braucht, vertraut sich Schenetti an, die anderen beginnen mit leichten Aufwärm- und Lockerungsübungen in einem entsprechend ausgestatteten Raum.
Um mich herum bricht die Hektik aus, die jeder Partie vorausgeht. Ich gebe mir Mühe, mich ebenfalls normal zu verhalten. Wie immer gehe ich in die Spielerkabine, um mich zu vergewissern, dass alles seine Ordnung hat. Ich vertraue meinen Mitarbeitern, aber den letzten Check mache ich lieber selbst. Die Jungs haben gute Arbeit geleistet, muss ich anerkennen. In der Luft liegt der Geruch frisch gewaschener Kleidung.
Das wird nicht lange so bleiben.
Ich schaue mich im Raum um. Überall hängen leblose Dinge, Rüstungen für die Schlacht. Die Kriegsbeile der Indianer. Die Helme und Schilde der Gladiatoren. Vertraute, selbstverständlich gewordene Farben, die doch auch ein Symbol für etwas Gemeinsames sind, unter unermüdlichen schweißtreibenden Anstrengungen errungen. Damals war ich der Überzeugung gewesen, ich hätte nur mich selbst verraten. Dass es sich anders verhielt, habe ich erst später begriffen, als ich in meiner Zelle auf der Matratze lag, an die Decke starrte und nachdachte. Vor meinem Geist zogen die Spruchbänder vorbei, und ich sah all diese Leute, die auf der Tribüne saßen und mich anfeuerten. Mir wurde klar, dass ich diesen Leuten gegenüber eine Verantwortung hatte.
Hier soll heute eine kollektive Idee verraten werden, ein Traum, der
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