Falsches Spiel: Roman (German Edition)
Beginn einer Runde anzeigt.
Ich verlasse also meine Ecke, öffne die Tür und stelle mich dem Kampf.
Neun
Als ich meine Kabine verlasse, sehe ich gerade noch, wie Sandro Di Risio am anderen Ende des Flurs die seine betritt. Ich schließe die Tür hinter mir und gehe hinüber wie ein Mann auf dem Weg zum Schafott.
An der Tür angekommen, klopfe ich. Als ich eine Stimme ›Herein!‹ rufen höre, würde ich am liebsten tausend Kilometer zwischen uns bringen. Stattdessen drücke ich die Klinke herunter, öffne die Tür und bleibe auf der Schwelle stehen. Die Kabine des Mister kann man nicht gerade luxuriös nennen. Eigentlich kann man sie nicht einmal Kabine nennen. Es ist eher ein Kämmerchen, wo man ein wenig Ruhe finden oder seine Gedanken sammeln kann. Oder wo man unter vier Augen mit jemandem reden kann. Ein kleiner Schrank, ein runder Tisch, zwei Stühle, ein rotes Kunstledersofa, das selbst vom Mond aus nach Ikea aussieht. Ein weiteres Tischchen, das in der rechten Ecke steht und Getränke und Obst bereithält. Weiter zur Tür hin befindet sich die Badezimmertür. Oben an der gegenüberliegenden Wand spendet ein langes, schmales Fensterchen Licht. Sollte es zumindest. Tatsächlich muss man die Lampe anschalten, wenn man sich in die Augen schauen will. Ich weiß das, denn das hier war unsere Kabine, bevor in der Trainerkabine die Rohrleitungen geplatzt sind. Solange die Reparaturen andauern, muss Di Risio sich mit dieser Unterbringung bescheiden und wir armen Teufel mit einer Art Kabuff.
»Guten Tag, Mister.«
Er sitzt auf dem Sofa. Neben ihm liegt ein Blatt Papier. Vermutlich ist es der Zettel, auf dem er die Aufstellung notiert hat. Vielleicht wollte er noch einen letzten Blick darauf werfen und fragt sich gerade, ob seine Entscheidungen richtig waren, denn wer die endgültige Entscheidung treffen muss, hat mit vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten zu kämpfen. Bestimmt hat er es beiseitegelegt, als ich geklopft habe. Er bedeutet mir einzutreten und zeigt auf einen Stuhl. Sein Kragen ist offen, die Krawatte hat er gelockert. Er ist blass und verschwitzt, und unter seinen Augen liegen dunkle Schatten. Die Spannung der letzten Tage hat ihm offenbar zugesetzt.
»Komm rein, Silver.«
Ich trete an den Stuhl heran. Ich setze mich. Ich schaue ihn an. Sein Gesicht verrät Neugierde, aber seine Stimme ist rau, fast ein wenig belegt.
»Also, was hast du mir Wichtiges zu sagen?«
»Geht es Ihnen nicht gut?«
Er massiert sich mit der rechten Hand die Brust. Was er sagt, klingt nicht sehr überzeugend.
»Doch, alles in Ordnung. Ich bin nur müde. Also?«
Ich lehne mich zurück. Es hat keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden, das scheint mir der Sache nicht angemessen. Wir sind schließlich beide nicht von gestern.
»Mister, mir ist bekannt, dass sich einige der Spieler darauf verständigt haben, das Spiel abzuschenken.«
Di Risio schweigt eine Weile und schaut mich an, als wäre ich ein Geist. Vielleicht traut er mir nicht, vielleicht traut er auch seinen Ohren nicht.
»Was sagst du da, Silver?«
Es wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als uns allen dreien zu trauen.
»Es ist die Wahrheit. Auch ich habe eine Weile gebraucht, bis ich es glauben konnte, aber ich habe Beweise.«
Ich stehe auf und trete zu ihm. Dabei stecke ich die Hand in die Tasche und hole die verschmierte Nachricht heraus.
»Das habe ich bei mir zu Hause im Mülleimer gefunden.«
Ich halte ihm das Briefchen hin und gebe ihm die Zeit, den Text zu lesen und zu verdauen.
Er tut es und schaut dann plötzlich auf.
»Willst du behaupten, dass …?«
Er lässt die Frage im Raum stehen, als hätte er Angst, sie zu beenden. Ich tue es für ihn.
»Genau. Einer der beteiligten Spieler ist mein Sohn.«
Meine Stimme steht im Raum wie die von Judas nach der Sache mit den dreißig Silberlingen. Ich mache kehrt und setze mich wieder. Die Ellbogen stütze ich auf die Armlehnen, den Blick halte ich zu Boden gerichtet. Genau dort würde ich am liebsten versinken. Aber ich weiß, dass ich das Richtige tue.
»Ich bin Roberto zu der Verabredung gefolgt. Anschließend habe ich ihn mit der Sache konfrontiert. Er hat alles zugegeben.«
Jetzt schaue ich Di Risio wieder an.
»Er hat mich gebeten, mich rauszuhalten. Das kann ich aber nicht. Und der Einzige, mit dem ich reden kann, sind Sie.«
Der Mister beobachtet mich und massiert sich mit der Rechten weiterhin die Brust. Er kennt mich und weiß, was es mich kosten muss, das alles zu
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