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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und bedeutete ihm, er solle schweigen. Guido aber sagte dennoch etwas:
    »Vergiß sie, vergiß sie jetzt.«
    »Ja, eine Stunde lang«, antwortete Tonio. »Einen Tag lang, eine Woche lang, wie gerne ich das täte«, flüsterte er.
    Dennoch sah er Marianna in jenem widerwärtigen, abgedunkelten Schlafzimmer liegen, er sah sie tief in trunkenem Schlaf, das Gesicht die wachsbleiche Maske des Todes, unmenschlich stöhnend. Und jetzt ist das Haus erfüllt von Lichtern; die Flure, die Zimmer, der riesige Salon sind voller Leute, so wie ich es mir immer erträumt habe. Er hat sie im Arm, er hat sie gerettet. Ja, so ist es. Er hat sie gerettet! Er hat dich zurechtgestutzt, um sie zu retten. Sie ist nicht verloren, aber du bist es. Du befindest dich in diesem dunklen Zimmer, du kannst nicht heraus, und sie ist nicht mehr da!
    »Oh, wenn ich nur den Schmerz aus deinem Kopf holen könn-te«, sagte Guido, der seine Hände auf Tonics Schläfen gelegt hatte, ganz leise. »Wenn ich nur dort hineingreifen und ihn herausholen könnte.«
    »Ach, aber das machst du doch, und du machst es, wie es kein anderer kann«, antwortete Tonio.
    Sie sind verheiratet.
    Verheiratet.
    Tanzt sie, singt sie, trägt sie Perlen um ihren Hals? Ist das lange Speisezimmer voller Gäste? Ob sie jetzt wohl einen Cavaliere servente hat? Und was glaubt sie, ist mit ihrem Sohn geschehen, was glaubt sie!
    Dann aber küßte er langsam und mit allem Anschein echten Gefühls Guidos geöffneten Mund. Danach nahm er Guidos Hände, ließ sie wieder los und wich zurück. Niemals, dachte er, wirst du erfahren, was geschehen ist, was geschehen muß und wie kurz unsere gemeinsame Zeit ist, diese kleine Spanne, die wir Leben nennen.

    Es war schon fast hell, als er sich vom Bett erhob und Catrina auf ihren Brief antwortete:

    Im Lagerraum meines Vaters im ersten Stock unseres Hauses liegen mehrere Degen, die zwar alt, aber durchaus brauchbar sind. Erkundige dich bitte bei meinem Bruder, ob ich diese Waffen haben kann und ob es ihm etwas ausmachen würde, sie mir zu schicken.
    Falls sich darunter auch ein Degen befindet, der einst unserem Vater gehörte, so wäre ich für diese Waffe ebenfalls überaus dankbar.

    Er unterzeichnete den Brief und versiegelte ihn, dann saß er da und sah zu, wie das Morgenlicht den kleinen Hof zu erhel-len begann. Es war ein langsames und stilles Schauspiel, das ihn jedesmal aufs neue mit außerordentlichem Frieden erfüllte.
    Zuerst waren die dunklen Umrisse der Bäume zu erkennen, dann brachen überall Flecken aus Licht hindurch, so daß er das Flechtwerk der Zweige und Blätter sehen konnte. Als letztes kam die Farbe hinzu. Dann war es Morgen, und das Haus vibrierte wie eine riesige Orgel, die ihre Töne durch eine weite Kirche schickt.
    Der Schmerz war weg.
    Der Aufruhr in seinem Inneren hatte sich gelegt. Als er Guido anblickte, dessen Gesicht im Schlaf glatt und entspannt aussah, merkte er plötzlich, daß er das Lied, das er am Abend zuvor gesungen hatte, leise vor sich hinsummte. Da dachte er, Giacomo, du hast mir ein kleines Geschenk gemacht. Bis du gekommen bist, habe ich nämlich gar nicht gewußt, wie sehr ich das alles hier liebe.

    10

    Domenico war in Rom eine Sensation, obwohl Loretti vom Publikum ausgezischt und angegriffen worden war. Vor allem die abbati - die Kleriker, die stets die vorderen Reihen im Opernhaus besetzen - beschuldigten ihn, sein Idol, den Komponisten Marchesca, kopiert zu haben. Während der gesamten Vorstellung zischten sie deshalb: »Bravo Marchesca!
    Buuuuh Loretti«, und schwiegen nur, wenn Domenico sang.
    Das hätte jeden entnervt, und Loretti, der wieder in Neapel war, schwor, niemals mehr einen Fuß in die Ewige Stadt zu setzen.
    Domenico aber war an einen Fürstenhof in einem der deutschen Kleinstaaten eingeladen worden. Die Jungen im Conservatorio lachten, als sie hörten, daß er ein amouröses Abenteuer mit einem Grafen und dessen Ehefrau gehabt hät-te, wobei er in ein und demselben Bett für ihn die Frau und für sie den Mann gespielt hatte.

    Tonio hörte all das mit Erleichterung. Hätte Domenico versagt, dann hätte er sich niemals vergeben. Noch immer empfand er jedoch, wenn er den Bühnennamen »Cellino« hörte, Scham und so etwas wie Kummer. Guido war darüber, wie Loretti aufgenommen worden war, beunruhigt und murmelte wie stets, daß das römische Publikum das schlimmste sei.
    Aber Tonio war zu sehr mit seinem eigenen Leben beschäftigt, um an irgend etwas anderes zu denken.

    Gleich

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