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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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trugen, in üppig gemusterten Seidenkleidern um-herflanierten. Selbst die Bettler strahlten etwas düster Faszi-nierendes aus.
    Selbst die einfachen Dinge entzückten ihn. Er drängte weiter in die Panetteria, in der sich lauter Bäckereien befanden, zu den Fischmärkten der Pescheria, und als er die Rialto-Brücke erreichte, wanderte er zwischen den Obst- und Gemüsehänd-lern umher.
    Natürlich wollte Angelo nichts davon hören, sich in ein Café oder eine Taverne zu setzen. Also versuchte Tonio, der nach billigen Speisen hungerte und den es nach schlechtem Wein dürstete, einfach deshalb, weil das für ihn so exotisch war, schlau vorzugehen und abzuwarten. Aber es waren die Läden der Buchhändler, die auf Tonio den größten Reiz ausübten.
    Drinnen konnte er die feinen Herren beim Kaffee und Wein sitzen sehen, konnte gelegentliches Gelächter hören. Hier diskutierte man über das Theater und die neuesten Opern.
    Hier gab es ausländische Zeitungen zu kaufen, politische Traktate und Gedichte.
    Angelo zerrte ihn weiter. Manchmal spazierten sie genau zur Mitte des Platzes, und Tonio, der sich immer wieder umdrehte, hatte das angenehme Gefühl, in der strudelnden Menge dahinzutreiben, während er hier und da vom Flügelschlag der aufsteigenden Tauben überrascht wurde.
    Wenn er an Marianna daheim hinter ihren zugezogenen Vorhängen dachte, dann hätte er weinen mögen.
    Vier Tage, von denen ein jeder unterhaltsamer und aufregender war als der vorangegangene, hatten sie so zugebracht, als sie Alessandro begegneten und sich etwas zutrug, das Tonio in Verwirrung stürzen sollte.
    Tonio war erfreut, als er Alessandro in der Menge entdeckte.
    Als er dann auch noch merkte, daß sich Alessandro auf dem Weg zum Geschäft des Buchhändlers befand, sah er seine Gelegenheit gekommen und rannte ihm hinterher. Angelo konnte ihn nicht mehr einholen. Schon befand sich Tonio in dem vollgestopften kleinen Laden, in dem dichter Tabakrauch hing und es nach Kaffee duftete. Er zupfte Alessandro am Ärmel, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

    »Aber das ist ja seine Exzellenz!« Alessandro umarmte ihn.
    »Wie schön, Sie zu sehen«, sagte er. »Und wohin des Wegs?«
    »Ich bin Ihnen lediglich gefolgt, Signore«, sagte Tonio, der sich plötzlich sehr jung und lächerlich vorkam. Aber Alessandro versicherte ihm weltmännisch, wie sehr er neulich das gemeinsame Abendessen genossen hätte. Es schien, als würde die Unterhaltung um sie herum lebhaft fortgeführt, so daß sich Tonio angenehm anonym vorkam. Ein paar Leute sprachen über die Oper und den neapolitanischen Sänger Caffarelli. »Er ist der größte Sänger der Welt«, sagte jemand.
    »Stimmen Sie mir da zu?«
    Dann hörte Tonio ganz deutlich den Namen Treschi, und noch einmal Treschi, aber zusammen mit dem Vornamen Carlo.
    »Wollen Sie uns nicht miteinander bekannt machen?« war dieselbe Stimme wieder zu vernehmen. »Das dort ist Marc Antonio Treschi, es kann gar nicht anders sein.«
    »Carlo wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte jemand anderer, und Alessandro, der Tonio sanft zu der Gruppe junger Männer herumgedreht hatte, stellte sie mit Namen vor, während sie ihm höflich zunickten. Dann fragte jemand, ob Alessandro nicht auch der Meinung sei, daß Caffarelli der größte Sänger Europas wäre.
    Tonio fand es wunderbar, alles. Doch Alessandro widmete seine Aufmerksamkeit ausschließlich Tonio, und so lud er Alessandro in plötzlichem Überschwang ein, einen Becher Wein mit ihm zu trinken.
    »Mit dem größten Vergnügen«, erklärte Alessandro sofort. Er hatte zwei Londoner Zeitungen genommen und sie rasch bezahlt.
    Gemeinsam gingen sie zur Tür. Ein paar Leute hatten sich mit einem Nicken erhoben.
    Und dann fand jene Begegnung statt, die die Farbe des Himmels selbst, den Anblick der schneeweißen Wolken verändern und dem Tag einen dunklen Nachhall verleihen sollte.
    Einer der jungen Patrizier war ihnen hinaus bis unter die Arkaden gefolgt. Es war ein hochgewachsener, blonder Mann, in dessen Haar sich weiße Strähnen zeigten und dessen Haut von der Sonne verbrannt war, so als hätte er in einem tropi-schen Land gelebt. Er trug keine zermonielle Patrizierrobe, sondern lediglich den lockeren und weniger strengen tabarro.
    Er hatte eine beinahe drohende Miene aufgesetzt, obwohl Tonio, der einen raschen Blick auf ihn geworfen hatte, sich nicht vorstellen konnte, warum er so böse schaute.
    »Würden Sie bitte das Café auswählen?« sagte Tonio gerade zu Alessandro.

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