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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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in sie hinein. Als er sich dann in ihr befand, spürte er wieder jene Explosion in seinem Gehirn, die alle Zeit auslöschte, alle Verlustgefühle, allen Schrecken.
    Selbst ein einziger kurzer Gedanke würde ihn vernichten.
    Also suchten seine Hände die heiße Haut in ihren Kniekehlen, die nasse Wärme unter ihren Brüsten, ihre gerundeten Waden und ihren Mund, ihren geöffneten, verlangenden Mund, der voller Kühnheit, saugendem Atem und jenem kleinen, ungestümen Kichern war. Da war eine Vielzahl von kleinen Spalten, Falten, Geheimnissen. Das Wasser schlug plätschernd gegen die Bootswände, Musik wurde herangetragen, leise Klänge, schwere Klänge. Manchmal lag er unter ihr, spürte dabei ihr köstliches Gewicht, dann wieder legte er sich auf sie, während seine Hand sie an der heißen Falte ihres Geschlechts hochhob, seine Zunge an ihrem glatten kleinen Bauch leckte.
    Als sie schließlich verausgabt dalagen, war selbst der meer-grüne Geruch des Wassers mit ihrem Liebesakt verknüpft, der feuchte Geruch der moosbewachsenen Fundamente, die tiefer und tiefer in den Kanal hinabtauchten und in die weiche Erde darunter, die Venedig war. Es war alles mit der Süße und dem Salz verknüpft, mit ihrem kostbaren Lachen und dem schräg herabfallenden silbernen Regen, der durch die kleinen Fenster hereinkam und ihm ins Gesicht schlug, während er sie umschlungen hielt.
    Wenn das doch nur für immer andauern könnte, wenn es doch alle Gedanken, allen Schmerz und alles Unglück auslöschen und er Bettina nur immer wieder und wieder nehmen könnte.

    Dann würde er nichts mehr mit der Welt zu tun haben und müßte nicht mehr in jenes Haus, in jene Zimmer zurückkehren und jener Stimme zuhören. Er schmiegte sich in die Dunkelheit, legte die Hände auf seinen Hinterkopf, damit sie ihn nicht weinen hörte.

    Stimmen drängten sich in sein Bewußtsein.
    Es schien, als würden sie auf den schmalen, belebten Wasserstraßen dahintreiben, über denen bei Tag an Leinen die Wäsche aus den Fenstern hing und an deren Kais sich der Abfall stapelte. Wenn man hochblickte, konnte man die Ratten an den Wänden entlangrennen sehen, gedrungen und flink, so als würden sie dahinfliegen. Katzen jammerten und miauten in der Dunkelheit. Er hörte das Wasser schwappen und gurgeln.
    Und er fühlte eine schwerelose und köstliche Ruhe, selbst als Bettina ihn immer noch aufreizte.
    »Ich liebe dich, liebe dich, liebe dich, liebe dich.«
    Aber da waren wieder diese Stimmen. Er hob den Kopf. Da war ein Tenor, er hätte ihn überall herausgehört, und, ja, da war der Baß, und die Flöte und die Violine. Er stützte sich auf den Ellbogen, spürte, wie das Boot sich hob und senkte. Es waren seine Sänger!
    »Was ist los, Exzellenz?« flüsterte sie. Sie lag nackt neben ihm. Ihre Kleidung bildete eine formlose dunkle Masse in ihrem Schoß, ihre Schultern waren erlesen gerundet, und als sie zu ihm hochsah, da waren ihre Augen einfach zwei Stellen, die nicht weiter auffielen in der Weiße ihres Gesichts.
    Er setzte sich auf. Sanft entwand er sich ihr. Ich habe sie gehabt, dachte er, habe sie geliebt, habe sie gehabt, habe sie erkannt. Dennoch empfand er jetzt keinen besonderen Reiz, erlebte keinen wunderbaren Schauder. Er nahm sie einen Augenblick in die Arme, roch an ihrem Haar und küßte ihre harte, runde, kleine Stirn. Die Stimmen kamen näher. Es waren seine Sänger! Sie befanden sich höchstwahrscheinlich auf dem Heimweg. Wenn er sie nur einholen könnte... Er steckte sein Hemd in die Hose, band sich das Haar zurück.
    »Exzellenz, gehen Sie nicht«, bettelte sie.
    »Liebste«, sagte er, legte ein paar goldene Münzen in ihre Hand und schloß ihre Finger darüber. »Warte morgen abend, gleich nach Einbruch der Dunkelheit, auf mich.« Er streifte ihr den Rock über den Kopf, zog ihr die weiche, zerknitterte Bluse an, schnürte ihr die Weste zu und spürte dabei mit einem letzten Anflug von Erregung, wie sie sie umfing und umschloß.
    Die Sänger waren bereits am Kanal. Es war Ernestino - wie oft hatte er diesen Namen unter seinem Fenster gehört? Und der Baß, das war Pietro. Er besaß einen leichten Baß, der nichts Schwerfälliges an sich hatte. Es war trotz all seiner Tiefe ein reiner Ton. Der Geiger heute nacht war Felix.

    Als das Boot unter der nahen Brücke davonschoß und in der Dunkelheit verschwand, wünschte er sich einen winzigen Augenblick lang, völlig betrunken zu sein, wünschte sich, er hätte die Geistesgegenwart besessen und sich auf

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