Familie Zombie
Bürgermeister. Heute müsste er schon an die neunzig Jahre alt sein.«
»Er lebt also noch.«
»Ja, und er wohnt im letzten Haus auf der linken Seite. Da können Sie ihn besuchen.«
Was O’Connor so locker dahingesagt hatte, setzte ich in die Tat um. »Sie werden lachen, aber genau das werde ich auch. Warten Sie hier auf den Arzt, ich mache mich auf die Socken.«
Er sagte nichts mehr. Mit offenem Mund blieb er stehen und schaute mir nach, wie ich mit schnellen Schritten auf dem Gehsteig weiterging.
Man kann darüber lachen oder auch nicht. Aber ich hörte mal wieder auf mein Bauchgefühl. Das sagte mir, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Nach knapp einer Minute hatte ich die Höhe des Hauses erreicht. Von nun an wurde ich vorsichtiger. Ich warf einen Blick durch den Vorgarten auf die geschlossene Eingangstür. Die andere, die in den Vorgarten hinein führte, stand offen.
Hingehen – oder?
Ja, ich würde hingehen, aber nicht wie ein normaler Besucher. Zunächst mal wollte ich den Neugierigen spielen und einen Blick durch ein erleuchtetes Fenster werfen...
***
Der Tod hat mich eingeholt!, dachte Ed Ingram. Die Vergangenheit und der Tod. Er hätte es genossen, wenn ihm die Augen einen Streich gespielt hätten. Leider traf das nicht zu.
Die beiden waren echt. Zwei Tote, die trotzdem lebten. Eine makabre Kuriosität. Der Alte und der Enkel. Ingram bemerkte auch die Schlagwaffe auf den Knien des Greises. Mit diesem schweren Kamineisen war es ein Leichtes, einem Menschen den Schädel einzuschlagen.
Das böse Grinsen im Gesicht des Abraham Kosta. Der Triumph, den er fühlte, falls er überhaupt etwas fühlen konnte. Jetzt hockte er da und zitterte vor Gier.
Seinen Enkel hatte er mitgebracht. Er war ebenso widerlich wie der Alte selbst. Wie eine zu groß geratene Puppe sah er aus, und seine Arme hielt er vor der Brust verschränkt. Ein Mensch hätte sich in dieser Haltung lässig und entspannt gegeben. Das war Eric nicht. Kein Mensch mehr. Ein Wiederkehrer, in dessen dunklen Augen nicht der Hauch eines menschlichen Gefühls lag.
Abraham Kosta kicherte. Er strich mit seinen langen Knochenfingern über seine Waffe hinweg. »Endlich haben wir dich gefunden, Ed. Endlich. Du bist so alt geworden, aber nicht alt genug, um uns zu entwischen. Wir werden dich totschlagen, trotz deines Alters. Bin überzeugt, dass du noch am Leben hängst. Aber wenn du jetzt stirbst, wirst du alle Qualen erleben. Wir sind unter uns. Deine krächzenden Hilfeschreie wird kein Mensch hören, das schwör ich dir.«
Der ehemalige Bürgermeister hatte jedes Wort genau verstanden. Trotz seines hohen Alters war er nicht senil und noch klar im Kopf. Nur beim Gehen hatte er Probleme. Die Knochen wollten nicht mehr so wie er. Deshalb musste er sich auch beim Gehen auf einen Stock verlassen.
Den Fall hatte er überstanden. Nichts geprellt, nichts gebrochen. Zwar Schmerzen, aber um die konnte er sich nicht kümmern. Die vor ihm stehende Bedrohung war stärker.
Er hatte Mühe, eine Antwort zu formulieren. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Bevor er sprach, schüttelte er den Kopf. »Es ist vorbei«, flüsterte er. »Die alten Zeiten sind dahin...«
»Nein, das sind sie nicht, wie du siehst. Sie sind noch immer vorhanden. Wir beherrschen alles, wir allein. Du kannst gegen uns nichts tun. Ich habe dir schon damals versprochen, dass du es nicht schaffst. Wir sind nicht verwest. Weder ich noch meine Familie. Aber daran hast du nicht gedacht oder wolltest es nicht denken. Du hast alles für eine Lüge gehalten. Jetzt wirst du die Konsequenzen tragen. Wir sind wieder da. Nicht nur Eric und ich. Unsere gesamte Familie ist gekommen, und wir sind bereit, Rache zu nehmen.«
Der Ex-Bürgermeister wollte es noch immer nicht glauben. »Aber ihr seid tot«, flüsterte er. »Ihr seid schon damals tot gewesen, als ihr auf dem alten Friedhof begraben wurdet.«
»Das hast du gedacht. Und auch dieser Sinclair. Er ist tot!« Der Alte lachte. »Ja, er und seine Frau liegen auf dem Friedhof tief unter der Erde. Wir sind noch da, wie du sehen kannst. Wir haben überlebt, und wir werden weiterleben.«
Ed Ingram hatte jedes Wort verstanden. Zuerst hatte er sich noch geweigert, alles zu akzeptieren. Nun dämmerte ihm, dass er in der Falle saß. Weshalb sollten diese Gestalten Pardon kennen?
»Hast du dir alles überlegt, Ed?«
»Ja, ich weiß Bescheid.« Ingram wunderte sich darüber, dass seine Stimme so ruhig klang. Es lag womöglich an seinem hohen Alter. Wer
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