Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Wir sind noch nicht fertig miteinander, Sonthofen!«
Raffael war viel größer als der grobschlächtige Bure, dafür war jener kräftiger. Noch ehe er sich versah, hatte Baltkorn ihm einen Kinnhaken verpasst, der es in sich hatte. Von der Wucht des Schlages überrascht, geriet er kurz aus dem Gleichgewicht. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich wieder zu fangen. Er spürte, wie warmes Blut aus seiner Nase troff. Baltkorn ging sofort in Kampfstellung und wartete darauf, dass Raffael einen Gegenangriff starten würde. Doch dieser blieb erstaunlicherweise ruhig stehen.
» Sind das deine einzigen Waffen, Baltkorn?«, fragte er verächtlich. » Ich hatte immer gedacht, dass du mehr draufhättest.«
» Du mieses kleines Kaffernschwein«, schnaubte Baltkorn und versuchte einen weiteren Kinnhaken. Doch dieses Mal war Raffael gewappnet. Er wich dem Schlag mühelos aus und fing den Schlagarm in der Luft ab. Mit einem gekonnten Griff drehte er den Arm um und presste ihn angewinkelt auf Baltkorns Rücken. Ein paar der Mitreisenden lachten beifällig. Sie hielten Raffael offensichtlich immer noch für einen Weißen und amüsierten sich über die Szene.
» Setz dich hin, und benimm dich endlich anständig«, fauchte Raffael in sein Ohr. » Ich bin nicht mehr der wehrlose Kaffer, für den du mich bislang gehalten hast. Wegen Leuten wie dir bin ich zurück nach Afrika gekommen. Es wird Zeit, dass man euch Manieren beibringt!« Er schubste Baltkorn von sich und setzte sich in aller Ruhe wieder neben Kiesewetter. Doch Baltkorn ließ sich davon nicht einschüchtern. Sobald er sich ein wenig gefasst hatte, brauste er erneut auf.
» Was willst du überhaupt in diesem Abteil?«, brüllte er. Er sah sich um Zustimmung suchend bei seinen Mitreisenden um. » Dieser Mann hier ist ein Kaffer. Er glaubt, nur weil er einen vornehmen Anzug trägt, kann er sich aufführen, wie er will. Für Leute wie dich ist im Viehwaggon Platz! Ihr habt ja selbst gesehen, welchen Tumult dieses schwarze Pack hier im Handumdrehen veranstaltet.« Das Geraune im Großraumabteil schien ihm recht zu geben. Vereinzelt erhoben sich Stimmen, die ebenfalls dafür waren, dass Raffael das Abteil verließ. Doch es gab auch andere Meinungen. Kiesewetter, der für solche Situationen ein feines Gespür entwickelt hatte, raffte sich auf und erhob beschwichtigend die Hände.
» Nun ist aber mal gut, Leute!«, meinte er mit donnernder Stimme. » Dieser Mann da …« Er deutete auf Baltkorn. » … hat einen wehrlosen alten Mann ohne Grund zusammengeschlagen! Ihr seid alle Zeugen gewesen. Und dieser Mann da …« Dieses Mal zeigte er auf Raffael. » … hat als Einziger von uns den Mut besessen, diesem unhaltbaren Treiben Einhalt zu gebieten. Dafür gebührt ihm Respekt. Er hat sich nicht einmal gewehrt, als er selbst ungerechterweise geschlagen wurde. Wer nun, meine Damen und Herren, sollte demnach wohl als Erster das Abteil verlassen?«
» Na, der Schläger natürlich«, rief eine rotbäckige deutsche Farmerin. » Mir ist doch egal, welche Farbe einer hat, wenn er nur friedliebend ist!«
» Genau!«
» Aber er ist ein Farbiger! Jeder weiß, dass diese Kaffern nur Unruhe und Zwist bringen. Man muss sie in ihre Schranken weisen«, mischte sich nun Elisabeth Baltkorn mit erstaunlich kräftiger Stimme ein. » Mein Junge hat mich vor den Übergriffen dieses widerlichen alten Mannes beschützt. Er hat gewagt, sich auf meinen Schoß zu legen.«
» Das hat er bestimmt nicht freiwillig gemacht«, meinte Kiesewetter ungerührt.
Das Lachen der Mitreisenden ließ Elisabeth Baltkorn rot anlaufen. » Was für eine bodenlose Unverschämtheit!«, fauchte sie empört. » Komm, Jon! In diesem Kaffern-Abteil werden wir keinen Augenblick länger bleiben. Wir werden uns in Windhuk an höchster Stelle beschweren. Das wird Folgen haben! Da können Sie sich sicher sein!« Sie erhob sich schwerfällig, aber bestimmt, und eilte zum Ausgang. Bevor Baltkorn ihr folgte, baute er sich nochmals vor Raffael auf.
» Das zahle ich dir heim, Sonthofen!«, drohte er mit blitzenden Augen. » Ich werde nicht ruhen, bis ich dich kleingekriegt habe. Du wirst im Dreck liegen und mich um Gnade anwinseln, aber ich werde sie dir nicht gewähren.«
» Eine amüsante Vorstellung«, grinste Raffael herausfordernd. Doch insgeheim ahnte er, dass Baltkorn keine leere Drohung ausgestoßen hatte.
*
» Es ist einfach ungerecht!«, beschwerte sich Ricky am nächsten Morgen bei Valentin Reuter im Klavierunterricht. Sie
Weitere Kostenlose Bücher