Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Frau nicht anderer Meinung sein als du?«, fragte der Inder erstaunt.
» Natürlich, schon«, entgegnete Fritz aufgewühlt. » Aber sie hat in diesem Moment meine Autorität untergraben. Ricky hat dadurch vielleicht falsche Hoffnungen geschöpft.«
» Jella hat nur ihre Meinung gesagt. Vielleicht bringt sie einfach etwas mehr Verständnis für eure Tochter auf als du. Das ist ihr gutes Recht.«
» Ach, es geht auch eigentlich gar nicht um Jella«, gestand Fritz zerknirscht. » Ich weiß schließlich seit fast fünfundzwanzig Jahren, dass sie sich von nichts und niemandem etwas sagen lässt. Mir geht es vielmehr um Ricky. Sie ist so zart und so jung, und sie will viel zu viel. Was soll das Kind nur in Berlin? Und dann dieser Unsinn mit dem Tanz und der Musik! Davon kann man doch nicht leben. Sie wird in üble Kreise geraten, und ich kann sie nicht mehr beschützen.«
» Ricky ist kein Kind mehr!«, widersprach Rajiv sanft. » Schon viel länger nicht mehr, als du es wahrhaben willst. Lass sie ihren eigenen Weg gehen. Nur so kann sie glücklich werden.«
» Aber doch nicht in Berlin! Das ist am anderen Ende der Welt …«
» Auch dort gibt es Menschen mit Herz. Sie ist eine vernünftige junge Frau, die trotz ihrer scheinbar so zarten Zerbrechlichkeit genau weiß, was sie will. Warum hilfst du ihr nicht einfach, indem du sie loslässt?«
» Ich kann das nicht.« Fritz schüttelte heftig den Kopf. » Sie ist außer Jella mein größter Schatz. Ich kann sie nicht gehen lassen.«
» Ist das nicht sehr selbstsüchtig? Du behandelst Ricky, als wäre sie dein Eigentum. Willst du deine Tochter etwa wie ein Tier in einem Käfig halten, nur damit es dir gut geht? Das kann nicht dein Ernst sein, oder?«
Rajiv hatte genug gesagt. Er erhob sich und band sein Pferd los. Mühelos schwang sich der alte Mann auf dessen Rücken und trabte davon. Fritz schaute ihm lange nach.
*
Debe versuchte beim Anblick des getöteten Nashorns gegen sein Num anzukämpfen. Das prächtige Muttertier lag mit gebrochenen Augen neben ihm, während sich bereits einer der Orlam, die zu Nachtmahrs Gefolge gehörten, daranmachte, dem Tier mit einer Säge sein prächtiges Horn abzusägen. Debe wandte beschämt die Augen ab. Nicht weit von dem Muttertier befand sich das Junge. Es war noch kein Jahr alt und wurde noch von der Mutter gesäugt. Ängstlich fiepend versteckte es sich hinter einem Rosinenbusch. Debe wusste, dass es ohne die Mutter nicht überleben konnte, und er fühlte eine doppelte Schuld auf sich lasten.
» Das hast du gut gemacht, mein kleiner Niggerfreund!«, lachte Nachtmahr und schlug Debe anerkennend auf die Schulter. » Das ist schon der dritte erfolgreiche Abschuss in dieser Woche. Ohne deine Fährtensuche wäre uns das wohl kaum gelungen. Aus dir wird noch ein erfolgreicher Jäger. Möchtest du?«
Er drückte Debe eine Flinte in die Hand. » Oder hast du schon vergessen, wie man schießt?« Nachtmahr deutete mit dem Kopf in Richtung des Nashornbabys. » Erschieß das Junge! Aber pass auf, dass du ihm nicht den Kopf zertrümmerst. Ich möchte ihn ausstopfen lassen und dann nach England verkaufen.«
Debe stand mit dem Gewehr in der Hand da und kämpfte mit sich. Es war immer sein größter Wunsch gewesen, mit der Waffe des weißen Mannes seine Beute zu erlegen. Aber das Nashornbaby war keine Beute für einen Buschmann. Er schüttelte heftig den Kopf und gab Nachtmahr das Gewehr zurück.
» Was ist? Hast du etwa Skrupel? Der Kleine kann ohne seine Mutter sowieso nicht überleben. Du hilfst ihm, wenn du ihn tötest.«
Debe schüttelte nochmals den Kopf. Nachtmahr stieß ein raues Lachen aus. Dann winkte er einen der Schwarzen zu sich und ließ eine Flasche Branntwein herbringen. Er entkorkte sie und nahm einen tiefen Schluck. Dann reichte er die Flasche dem zierlichen Buschmann. » Hier! Trink davon! Es hilft dir, das alles hier zu vergessen.«
Debe hatte noch nie Alkohol getrunken. Seine Eltern hatten ihn immer davor gewarnt. » Die Medizin der Weißen macht die Buschmänner krank.«
» Nun stell dich nicht so an!«, drängte Nachtmahr nochmals. Debe betrachtete den toten Kadaver der Nashornkuh. Dort, wo eben noch das Horn gesessen hatte, war nun eine tellergroße, blutende Wunde, auf der bereits Hunderte von schwarzen Fliegen saßen. Die Gehilfen Nachtmahrs machten sich im selben Moment daran, dem Tier seine Beine abzutrennen. Auch sie würden ausgestopft werden, um später als Hocker an reiche Weiße verkauft zu werden.
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