Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
leben wollte. Außerdem gab es kein spezielles Eigentum. Zwar gehörten die Jagdbeute und die gesammelte Feldkost, die aus Wurzeln, Knollen, Beeren und wildem Getreide bestand, theoretisch immer dem, der sie erlangte. Aber wenn eine andere Familie weniger Jagdglück hatte, dann gaben die anderen selbstverständlich etwas ab. Dieses soziale Verhalten funktionierte in den kleinen Gemeinschaften, die aus kaum mehr als dreißig bis vierzig Menschen bestand, sehr gut. Es gab nur wenig Streit, und wenn es doch einmal vorkam, dann versuchten alle, eine Lösung zu finden.
Bereits bei ihrer Ankunft hatte Jella das Gefühl, dass dieses Mal etwas anders war. Nakeshis Gruppe war viel kleiner geworden. Chuka, ihre Mutter, war im letzten Winter gestorben. Gao und ein paar andere jüngere Jäger fehlten, und auch Debe, Nakeshis und Bôs gemeinsamer Sohn, war nicht mehr da. Als Jella ihre Freundin darauf ansprach, huschte ein unglücklicher Schatten über ihr Gesicht.
» Debe wird von seinem starken Num gequält«, meinte Nakeshi traurig. » Er will es nicht annehmen und flieht aus dem Leben, das die Ahnen ihm vorherbestimmt haben.«
» Ist er zu einem anderen Stamm gegangen? Vielleicht zu deinem Bruder Twi in die Namib?«
» Ich wollte, es wäre so.« Nakeshi schüttelte bekümmert den Kopf. » Er sagt nicht, wohin er geht, aber ich fühle, dass er etwas tut, was seine Ahnen bekümmert. Seine Bewunderung für den Besitz des weißen Mannes schmerzt mein Herz. Er muss doch wissen, dass wir nicht so sind wie ihr.«
» Hat er sich Arbeit auf einer Farm gesucht?« Jella wusste, dass viele Buschmänner in den letzten Jahren ihr karges Nomadenleben aufgegeben hatten, um ein angenehmeres Leben bei den Weißen zu leben. Die Weißen gaben den Buschmännern regelmäßig etwas zu essen. Sie mussten nicht dursten, bekamen warme Kleider, Schulausbildung und ein Dach über dem Kopf. Doch zu welchem Preis tauschten diese Menschen ihr altes Leben gegen dieses scheinbar leichte neue ein? Regelmäßige Arbeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, wie sie die Farmer forderten, waren ihnen von Natur aus fremd. Außerdem waren sie nicht sehr kräftig, wenn auch zäh und sehr ausdauernd, wenn sie es denn wollten. Das führte leicht zu Konflikten. In der Regel kamen die Buschmänner zuerst zu einer der Missionsstationen. Dort wurden sie von den Missionaren freundlich aufgenommen und im christlichen Glauben unterrichtet. Bereitwillig nahmen die Buschmänner die neue Glaubenslehre zumindest vordergründig an; schließlich bekamen sie dafür Essen und Kleider. Nach einer Zeit wurden sie dann an die Farmer vermittelt und mit regelmäßiger Arbeit konfrontiert. Die Arbeit als Hirten fiel ihnen anfangs leicht. Als ausgezeichnete Spurenleser war es für sie einfach, verstreutes Vieh aufzuspüren und wieder zusammenzutreiben. Allerdings gab es in ihrem Volk keine Zahlenvorstellungen, die über zwei Hände voll hinausging, was bedeutete, dass es ihnen schwerfiel, den Überblick über eine Herde zu behalten. Kein Buschmann wusste, wie alt er war. Das Alter wurde anhand der Ereignisse, die sich zu seiner Geburt abgespielt hatten, festgelegt. So war Debe in der Zeit nach dem großen Feuer geboren worden, das Owitambe um ein Haar in Schutt und Asche gelegt hatte. Aber das Schlimmste war, dass die Buschmänner bald keinen Sinn mehr in ihrer langweiligen Arbeit sahen. Sie wurden unzuverlässig, und viele begannen zu trinken, um ihr sinnentleertes Leben zu vergessen. Jella wünschte von Herzen, dass Debe von solch einem Schicksal verschont blieb.
» Dein Sohn kommt bestimmt bald wieder zurück«, meinte sie zuversichtlich. Nakeshi nickte dankbar und begann sofort wieder zu strahlen. » Kauha wird ihm den Weg weisen«, meinte sie bestimmt. » Eines Tages wird sein Num stärker sein als sein sturer Kopf, und er wird wieder zurückkommen.« Es war nicht die Art der Buschmänner, sich allzu lange über ein Problem den Kopf zu zerbrechen. » Warum bist du gekommen, Sternenschwester?«, fragte sie und betrachtete Jella aus ihren klugen Augen. Bô, der schon seit längerer Zeit an einem hässlichen Husten litt, schlief neben dem kleinen ebenfalls schlafenden Benjamin am Rande eines der Lagerfeuer. Jella hatte ihm etwas von dem Hustensaft gegeben, der tatsächlich seine Anfälle unterdrückt hatte, aber ihn auch schläfrig gemacht hatte. Die beiden Freundinnen saßen etwas abseits der Gruppe auf einem runden Stein. Der Ruf einer Graseule klang einsam durch die Nacht. In
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