Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
unerwartete Geste verunsicherte sie deshalb umso mehr.
» Ich bin heute der glücklichste Mensch auf dieser Welt«, strahlte Raffael. » Meine Frau ist endlich auf dem Weg der Besserung. In ein paar Tagen wird sie wieder zu uns nach Hause kommen. Ist es da nicht selbstverständlich, dass man dann auch die Menschen beglückt, mit denen man jeden Tag so herrlich zusammenarbeitet?«
Fräulein Julich schluckte gerührt und betrachtete den Strauß voller Hingabe. » Ich werde ihn auf meinen Schreibtisch stellen, damit ich ihn unentwegt ansehen kann«, meinte sie hingerissen. Raffael räusperte sich.
» Ähm … Gibt es etwas Neues im Fall Oppenheimer?«, fragte er. » Ich habe einige Erkundigungen einziehen lassen und erwarte dringend Nachrichten.«
Fräulein Julich antwortete, ohne ihn anzusehen. Sie konnte immer noch nicht den Blick von den Blumen wenden.
» Ihre Post liegt auf dem Schreibtisch«, meinte sie verträumt. » Und dann war da noch so ein Schwarzer, vermutlich ein Herero, der darauf bestand, mit Ihnen persönlich zu reden. Als er Sie nicht vorfand, verschwand er, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.«
Raffael nickte zufrieden. Das war bestimmt Nils gewesen. Wenn er nichts Wichtiges für ihn gehabt hätte, wäre er niemals zu ihm in die Kanzlei gekommen. Die Dinge gingen voran. Vielleicht würde er Oppenheimer schon bald Neuigkeiten überbringen können. Er wollte gerade in seinem Arbeitszimmer verschwinden, als sich die Tür von Dr. Schmiedel öffnete und er in Begleitung eines Mandanten heraustrat. Stirnrunzelnd erkannte er Jon Baltkorn, der ihn mit einem geradezu unverschämten Grinsen begrüßte.
» Gratuliere zum Nachwuchs!« Baltkorns Stimme klang ölig und falsch. Doch Raffael war das an dem heutigen Tage völlig gleichgültig. Er fragte sich allerdings, woher dieser von der Geburt seiner Zwillinge wusste. Ohne ihn zu beachten, begrüßte er Dr. Schmiedel, der jedoch unerwartet reserviert reagierte. Er fragte ihn nicht einmal nach dem Wohlergehen seiner Frau und der Kinder. Der Kanzleichef war zwar von Natur aus ein zurückhaltender Mann, aber Raffael hielt ihn keineswegs für herzlos.
» Sonthofen«, meinte Schmiedel knapp. » Wenn Sie doch bitte schon mal in mein Büro vorgehen. Ich habe mit Ihnen zu reden.« Das war keine höfliche Aufforderung, das war ein Befehl. Raffael sah Fräulein Julich an, die ebenso ratlos wie er die Schultern hob. Da er sich keines Fehlers bewusst war, folgte er der Anordnung ruhig und wartete auf seinen Chef. Kurze Zeit später trat der ins Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Er bot ihm auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtischs einen Platz an. Raffael sah ihn erwartungsvoll an. Schmiedel nahm seine randlose Brille von der Nase und fuhr sich über das Gesicht. Dann setzte er sie wieder auf, straffte sich und sah ihn aus seinen grauen Augen direkt an.
» Ich kann nicht sagen, wie sehr Sie mich enttäuscht haben, Sonthofen«, begann er. » Sie haben nicht nur mich, sondern die ganze Gesellschaft dieses Landes hintergangen.« Raffael versuchte das Wort zu ergreifen, doch Schmiedel beschied ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung zu schweigen. » Ich habe Sie eingestellt, weil Sie ein hervorragendes Examen als Barrister in London abgelegt haben. Dabei habe ich sogar über Ihre Hautfarbe hinweggesehen. Ihre Qualifikation schien mir überzeugender als der Makel Ihrer Abstammung. Der gesellschaftliche Status Ihres Vaters in diesem Land ist unbestritten. Ich hielt Sie für einen integren Charakter. Doch jetzt muss ich feststellen, dass Sie mich auf niederträchtige Weise hintergangen haben.«
» Herr Dr. Schmiedel, ich muss doch sehr bitten«, protestierte Raffael. Er war zutiefst erschrocken über die Art und Weise, wie Schmiedel mit ihm umging, und wusste immer noch nicht, worauf er hinauswollte.
» Sie haben behauptet, mit Sonja von Nachtmahr verheiratet zu sein.« Schmiedel spie die Worte voller Verachtung heraus. » In Wirklichkeit leben Sie mit ihr in wilder Ehe zusammen und beschmutzen die Ehre einer untadeligen weißen Frau. Sie sind ein Urkundenfälscher und Betrüger. Außerdem sagt man Ihnen nach, dass Sie versucht haben, den Vater Ihrer ›Lebensgefährtin‹ umzubringen! Was sagen Sie dazu?«
Raffael spürte, wie er kreidebleich wurde. Diese grässlichen Diffamierungen konnten von niemand anderem als von seinem ehemaligen Schulkameraden Jon Baltkorn stammen. Daher wehte also der Wind. Natürlich war er sich immer der Gefahr bewusst gewesen,
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