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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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vielleicht ein bisschen verwöhnt, und von klein auf sportlich, hat Handstände und Purzelbäume gemacht und später dann das Tanzen entdeckt. Und man konnte schon sehen, wie die Tanzerei sie völlig in Beschlag nehmen würde, und so ist es auch geschehen.
    Ich habe nie getanzt. Ich weiß nicht, woher dieser Tanzfimmel kommt.
    Viel später bin ich eine Weile weggegangen, weil ich sehen wollte, wie es wäre. Ob ich anderswo leben könnte. Ich hatte Jobs und eine Weile lang auch einen Mann. Aber die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, ich bin am falschen Ort. Ich habe dem Mann von Clare erzählt, und er hat gesagt, ich soll sie holen. Da habe ich gemerkt, dass er nichts versteht. Er hat nicht kapiert, dass das unmöglich ist. Ich habe mich schließlich von ihm getrennt und bin nach Allersmead zurückgekehrt. Ich wusste, dass ich zurückmusste, das war jetzt mein Zuhause, unsere Familie, wie Alison sagt. Und da war Clare.
    *
    Ingrids Gedanken schweifen nicht oft zu dieser Zeit zurück – zu der Zeit, als sie fort war. Sie erinnert sich, dass sie in einem Café gearbeitet hat. An den Mann erinnert sie sich nur noch vage. Das ist alles lange her, aber sie erinnert sich an ein Gefühl von Entwurzelung, als wäre sie, wo sie nicht hingehörte. Und so kam sie schließlich eines Abends wieder in Allersmead zur Tür herein, die Koffer in der Hand, und damit war die Sache erledigt.
    Sie erinnert sich daran, aber ohne große innere Beteiligung. Neuerdings interessiert sie sich für Gemüse. Dieses Jahr wird sie Grünkohl pflanzen, und Schwarzwurzeln, und diese neue Möhrensorte, die angeblich keine Fliegen kriegt. Sie weiß nicht, wie Schwarzwurzeln in ihrer eigenen Sprache heißen.

Schwarzer Marmor
    Sandra sitzt auf ihrem Platz und sieht zu, wie die Models den Laufsteg entlangwippen. Sie denkt an Luxusbäder und Beleuchtungskörper. Als das Wippen schließlich aufhört, merkt sie, dass sie keine Notizen gemacht hat, dass sie, ehrlich gesagt, überhaupt nicht bei der Sache gewesen ist.
    Ist das möglich? Kann es sein, dass sie mit achtunddreißig das Interesse an Mode völlig verloren hat? Sie, die Ex-Modejournalistin, die Ex-Modekorrespondentin einer Tageszeitung, die Geschäftsführerin einer florierenden Boutique in Rom – ist sie am Ende eine Mogelpackung? Ja, findet Sandra selbst, und es lässt sie völlig kalt. Sie wird sich von ihrem fein geschulten Instinkt leiten lassen und für die Boutique ein, zwei Teile bestellen, denn die Geschäfte müssen nun mal weiterlaufen; sie wird mit überschwänglichem Entzücken ein paar Bekannte begrüßen und sich dann aus dem Staub machen, in Gedanken schon bei schwarzem Marmor und rosa getönten Strahlern. Die Leute wollen das ganze Brimborium, den Wow!-Effekt. Vor allem die Italiener.
    Luxusrenovierungen machen irre Spaß. Das ist nun schon ihre dritte Wohnung, das dritte Mal billig gekauft und – hoffentlich – teuer verkauft. Sandra ist fasziniert von diesem Zahlenspiel, der eleganten Umwandlung von x Euros in x + y Euros, die man dann ins nächste Projekt steckt, damit zu gegebener Zeit x + y + z Euros herausspringen. Sie liebt das Jonglieren mit Hypotheken und Kostenvoranschlägen, den Pas de deux mit Handwerkern, dem Bauleiter, dem Filialleiter der Bank. Es gibt für sie nichts Schöneres als Küchenplanung, Fußbodenheizungen, haargenau passende Farbnuancen. Sie hat sich in die einschlägigen Publikationen vertieft und ist nun Expertin für brandheißes italienisches Wohndesign. Sie weiß genau, wie die Wohnung sein muss, mit der sie Kunden ködert: chic, teuer, neiderregend.
    Nach der Modenschau hat sie frei, da sie mit der Boutique eine Viertagewoche ausgehandelt hat. Freie Bahn für Luxusrenovierungen. Sie wird sich eine Wohnung ansehen, obwohl der nächste Kauf noch in einiger Ferne liegt, aber man muss den Markt im Auge behalten. Dann muss sie zur Baustelle und sich mit Luigi, dem Handwerker, über schwarzen Marmor und dergleichen unterhalten.
    Die Wohnung, die sie besichtigt, reizt sie nicht besonders, aber der Preis ist interessant. Sie fährt weiter zur Baustelle – wenn das Eintauchen in den hektischen Verkehr Roms die Bezeichnung »Fahren« verdient – und findet durch ein Wunder einen Parkplatz. Das Gebäude ist alt, das halbe Dutzend Wohnungen schon fürs einundzwanzigste Jahrhundert hochgerüstet, außer Sandras Wohnung, die bis vor Kurzem von einer älteren Witwe bewohnt wurde und nun reif für eine Komplettsanierung ist. Im Moment ist sie eine Wüste,

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