Familienaufstellungen
Bewusstsein statt. Skulpturarbeit darf ruhig humorvoll ablaufen, denn wenn wir über solch schrecklich schön schräge Kommunikationsstile schmunzeln oder lachen können, haben wir die innere Freiheit erlangt, so oder anders handeln zu können. Das innere Bild von sich selbst, aber auch die Wahrnehmung des Gegenübers formiert sich neu. Mit diesem veränderten Bild im Herzen, das mit allen Sinnen erspürt wurde, wird sich das nächste Gespräch, z.B. mit dem Vater, anders gestalten, und die bewusst gelernten Kommunikationsregeln sind leichter anwendbar.
Wenn Worte und Körper einander widersprechen
Eltern vermitteln ihren Kindern einen Grundwortschatz. Wortwahl, Satzbau und auch Redewendungen schauen diese sich zunächst ab. Neben der sogenannten verbalen Kommunikation lernen Kinder aber auch unterschiedliche Stimmlagen, Lautstärken, Mimik und Gestik kennen, die sich mit dem jeweils Gesprochenen verbinden. Lange bevor Kinder sprechen können, reagieren sie auf die Körpersprache. Der Säugling und das Kleinkind verstehen noch keine Gesprächsinhalte, sondern orientieren sich an der Sprechmelodie und am Körperausdruck. Auch der erwachsene Mensch nimmt die Körpersprache, zumindest unbewusst, wesentlich intensiver und schneller wahr als das gesprochene Wort des Gegenübers. Unbewusst werden nach wie vor die Signale des Körpers erfasst, das Bewusstsein hat aber gelernt, vorrangig auf das gesprochene Wort zu achten. Ein Grund hierfür ist, dass das Vertrauen in die Körpersprache schwindet, je häufiger ein Mensch erlebt, dass beide Gesprächsebenen nicht zusammenpassen.
Sagt die Mama »Mir geht es gut!« mit heller oder dunkler, lachender oder weinender Stimme? Schauen ihre Augen dabei glänzend oder finster aus? Wie bewegt sie ihren Körper dabei? Durch das Zusammenspielder Worte mit dem Körperausdruck lernt ein Kind, das Gefühlserleben des Gegenübers einzuordnen. Wenn Mama lachend ruft: »Geht’s mir heute gut!«, spürt das Kind diese Freude und lacht selbst mit. Wenn aber dieser positive Satz mit einer gedrückten Körperhaltung, traurigen Augen und langsamer, gedämpfter Stimme verbunden ist, weiß das Kind nicht, worauf es reagieren kann. Es erhält eine Doppelbotschaft: Die verbale Sprache sagt etwas anderes als die nonverbale. Lebt ein Kind über Jahre hinweg in einer Atmosphäre der Doppelbotschaften, sucht es für sich nach Lösungen, diese erspürten Spaltungen zu sortieren. Es wird möglicherweise selbst mit Doppelbotschaften reagieren oder seinen eigenen Empfindungen nicht mehr trauen und sich in eine der auf den folgenden Seiten beschriebenen Überlebensstrategien retten.
Doppelbotschaften sind für ein Kind ausgesprochen belastend, sie können auf Dauer krank, ja verrückt machen. Pioniere der Familientherapie in der Mailänder Schule erforschten, ob in diesen Doppelbotschaften ein Schlüssel zum Verständnis der Schizophrenie liegt. In der Arbeit mit den Familien schizophreniekranker Patienten entdeckten sie, dass nicht nur der Patient, sondern auch die Eltern auffällig viele Doppelbotschaften von sich gaben. Doppelbotschaften beobachten Sie in vielen Familien, in denen die Familienmitglieder mit einer belastenden Lebenssituation nicht offen umgehen können, beispielsweise wenn die Ablösung vom Elternhaus noch aussteht.
▶▶ Beispiel
:
Sonja (24) fährt jedes Wochenende zu ihrer Mutter. Selbst wenn sie keine Lust dazu hat, spürt sie, dass sie heimfahren sollte. Sie schildert das vergangene Wochenende, das für sie typisch verlief. Als sie am Freitagabend ankommt, meint die Mutter zunächst: »Schön, dass du da bist«, etwas später: »Das hätte es aber nicht gebraucht« und beschäftigt sich weiter mit ihrer Arbeit. Sonja fühlt sich ignoriert, wird zunehmend auf sich selbst und auf ihre Mutter wütend. Sie beschließt, wieder abzufahren. »Dann fahr halt, wenn’s dir gar nicht bei mir gefällt«, meint die Mutter. Sonja sieht, wie das Gesicht der Mutter fahl wird und sie mit
Tränen kämpft. Enttäuscht und wütend fährt sie bereits am Samstagabend zurück. Im Laufe der Woche verstärkt sich ihr schlechtes Gewissen immer mehr und so beschließt sie, am kommenden Wochenende wieder heimzufahren. Sonja möchte aus diesem Teufelskreis aussteigen und wünscht sich eine Klärung der Beziehung zu ihrer Mutter. Sie baut ihre Skulptur mithilfe der Therapeutin auf:
Sonja steht steif da, den Oberkörper und eine Hand zur Mutter hingewandt, ihr Gesicht ist aber abgewandt. Ihre Mutter
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