Familienaufstellungen
Begründungen gab es eine Belohnung, oder durch sie war die Chance, ungeschoren davonzukommen, am größten. »Der Lehrer hat gesagt, dass man die Hausaufgaben immer gleich nach dem Essen machen soll. Darum ist es jetzt ungünstig mit dem Abtrocknen.« – Eins zu null für den »Dreikäsehoch«! Was als Kind half, um sich vor unliebsamen Arbeiten zu drücken, oder aber, was noch gravierender wirkt, sich aus elterlichen Konflikten herauszuhalten, wird für den Erwachsenen zum Bumerang. Er isoliert sich damit.
Wer ablenkt, hat wahrscheinlich oft erlebt, dass er oder sie mit lustigen Späßen und unerwarteten Bemerkungen verhärtete Situationen aufbrechen kann. Mama und Papa sitzen mit finsterer Miene am Tisch. Da schneidet Mäxchen eine Grimasse, und beide Eltern fangen zu lachen an. Beim Nachmittagsspaziergang ist die Familienstimmung wieder im Keller – Mäxchen springt unversehens in eine Pfütze, beinahe auf die Straße. Als die Eltern beim Abendbrot stumm streiten, jammert Mäxchen plötzlich über Bauchschmerzen, die sofort vergehen, als Mama sich ihm zuwendet. Das Kind lernte: »Alles, was ablenkt, reduziert die Spannung.« Als Erwachsener wird die betreffende Person aber erleben, dass das Halligalli auf Dauer den Partner eher anödet und mürbe macht, weil die bestehenden Probleme nicht gelöst werden, sondern sich stapeln.
Alle vier beschriebenen Haltungen sind mit einem niedrigenSelbstwertgefühl verbunden. Es sind Notlösungen, die wir uns als Kinder entweder direkt bei den Eltern abgeschaut oder aber als Reaktion auf das Verhalten unserer Eltern entwickelt haben.
Mit Misserfolgen spielen lernen
Nur wenige Menschen haben den kongruenten Kommunikationsstil von klein auf eingeübt. Wir können ihn aber, egal, wie alt wir sind, lernen. Da er der einzige Erfolg versprechende Weg zu einer echten Konfliktlösung und zur ersehnten Harmonie ist, lohnt sich die Anstrengung durchaus. Sie können während jedem Gespräch immer wieder innerlich überprüfen, ob Sie noch alle drei Aspekte der Kommunikation beachten:
Ich achte auf mich, ich achte auf mein Gegenüber, und ich behalte das Thema im Blick.
Und trotzdem werden Sie sich dabei ertappen, dass Sie Ihre gewohnte »Überlebenshaltung« einnehmen. Macht nichts! Sobald Sie es erkennen, haben Sie bereits viel gewonnen! Darüber hinaus können Sie mit diesen Haltungen auch spielen. Es gibt durchaus Situationen, in denen es sinnvoll ist, dass Sie beschwichtigend, anklagend, rationalisierend oder ablenkend reagieren. Stellen Sie sich vor, Sie und Ihr Partner kommen angespannt von der Arbeit nach Hause, und in der Wohnung herrscht Chaos. Ein Wort gibt das andere, und im Nu werden die wildesten Vorwürfe laut. Zwei Ankläger in Aktion! Wenn der Dampf abgelassen ist, stellen Sie sich gegenüber und schauen Sie einander in die Augen. Wahrscheinlich müssen Sie nun beide schallend über sich lachen – jetzt kann es wieder stimmig werden. Sobald Sie diese Haltungen für sich als Wahlmöglichkeiten zur Verfügung haben, sind Sie nicht mehr innerlich klein und ohne Selbstwert. Dann haben Sie die kongruente Haltung als Plateau, von dem aus Sie sich auch Ausrutscher leisten können.
Wenn Sie Lust verspüren, weitere Kommunikationsübungen auszuprobieren, möchte ich Ihnen Virginia Satirs Buch »Selbstwert und Kommunikation« empfehlen, in dem Sie viele Übungen für sich und Ihre Familie finden.
2.2 Der systemisch-wachstumsorientierte Ansatz Virginia Satirs
Wachstum und Veränderung sind möglich! Dafür ist Virginia Satir (1916–1988), die selbst eine schwere Kindheit und Jugend erlebte, der lebendige Beweis. Virginia Satir glaubte fest daran, dass jeder Mensch Entwicklungs- und Wachstumsmöglichkeiten in sich trägt, die im Verborgenen schlummern und darauf warten, reaktiviert zu werden. Auch war sie zutiefst davon überzeugt, dass jeder Mensch mit seiner Art, wie er mit anderen in Beziehung tritt, wie er seine Probleme löst, die für ihn derzeit bestmögliche Kommunikationsform wählt. Wie er oder sie mit anderen umgeht, spiegelt eigene Lernerfahrungen und den aktuellen Selbstwert wider. Gleichzeitig wirkt sich das Verhalten auch auf das Selbstwertgefühl der anderen aus, sodass die Familienmitglieder sich gegenseitig stärken oder auch herunterziehen können.
Satir fand heraus, dass in problembeladenen Familien folgende Faktoren auftreten, die sich gegenseitig verstärken:
ein niedriger Selbstwert,
indirekte, nicht fassbare Kommunikation,
starre, undurchsichtige
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