Familienaufstellungen
Regeln, die nicht hinterfragt werden dürfen, und
wenige, ängstlich-abweisende Kontakte zur Außenwelt.
Eine wachstumsfördernde Familie zeichnet sich hingegen dadurch aus,
dass jedes Familienmitglied einen hohen Selbstwert hat,
dass offen und ehrlich miteinander gesprochen wird und jedes Thema direkt und präzise angesprochen werden darf,
dass die Regeln in der Familie allen bekannt sind und diese den sich wandelnden Bedürfnissen angepasst werden,
dass eine Familie mit Nachbarn, Bekannten, insgesamt der Gesellschaft in guter Verbindung steht.
Satirs Arbeit zielte darauf ab, diese vier Schlüsselfaktoren in einer Familie anzuregen. Als Systemtherapeutin sah sie, dass diese sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Satir, Virginia: Selbstwert und Kommunikation. Stuttgart 1998, S. 16 f.). In 50 Jahren unermüdlicher Arbeit mit Familien entwickelte sie eine Vielzahl kreativer Methoden, wovon die Familienskulptur und die Familienrekonstruktion die bekanntesten sind. Dabei animierte sie Frauen, Männer und Kinder, all ihre Sinne und ihren ganzen Mut für einen offeneren Umgang miteinander einzusetzen. In dem berühmt gewordenen Gedicht »Meine fünf unveräußerlichen Freiheiten« findet Virginia Satirs positives, wertschätzendes Konzept seinen dichtesten Ausdruck:
Meine fünf unveräußerlichen Freiheiten
Zu sehen und zu hören –
was in mir ist und mit mir ist,
und nicht, was dort sein sollte,
dort war oder vielleicht sein könnte!
Zu sagen – was ich fühle und denke,
und nicht, was ich sagen sollte!
Zu fühlen – was ich fühle,
und nicht das, was ich fühlen sollte!
Zu fragen – was ich möchte,
und nicht warten, warten, warten auf Erlaubnis!
Zu wagen – was mich reizt,
statt immer nur »Sicherheit« zu wählen!
Ich probier’s einfach aus!
(Satir, Virginia/Baldwin, Michele: Familientherapie in Aktion. Paderborn 1999)
2.3 Familienskulptur in der Praxis
Die zuvor geschilderten Beispiele haben Ihnen bereits unterschiedliche Formen gezeigt, wie eine Familienskulptur aufgebaut werden kann. Hier sind noch einmal die wesentlichen Elemente zusammengefasst:
Ausgehend von einem Thema, für das der oder die Aufstellende eine Lösung sucht, klärt die Therapeutin oder der Berater, welche Personen für diese Skulptur gebraucht werden.
Der Aufstellende wählt entweder die ursprünglichen Familienmitglieder oder aber Rollenspieler, die diese doubeln, und formt sie wie Wachsfiguren. Das fällt dem einen Aufstellenden leichter, dem anderen schwerer – keine Sorge, Sie erhalten hierbei vom Seminarleiter Unterstützung und haben in Kürze Übung im Skulpturenstellen. Der Aufstellende soll die Personen dabei richtig anfassen und nicht nur mündliche Anweisungen geben. Über den Körperkontakt bekommt der Rollenspieler zusätzliche unbewusste, nonverbale Informationen vom Aufstellenden.
Für die Körperhaltung können die oben beschriebenen Stressmuster oder aber auch eigene Vorstellungen des Aufstellenden als Vorlage dienen. So kann es sein, dass der Vater mit abgewandtem Gesicht zur Familie steht, aber einen erhobenen Zeigefinger immer noch in diese Richtung streckt. Die Mutter wendet sich mit ausgebreiteten Armen und angestrengtem Lächeln den Kindern zu, eines der Kinder steht nah bei der Mutter, schaut allerdings zum Vater, während ein anderes Kind sich ganz der Mutter zuwendet.
Über Mimik, Gestik und Körperhaltung werden in Skulpturen Nähe und Distanz, Zuneigung und Abwendung ausgedrückt. Gibt es ein Machtgefälle in der Familie, wird die einflussreichste Person auf ein Podest gestellt. Gefühle wie Freude, Trauer, Angst, Liebe, Scham oder Schmerz werden durch die körperliche Darstellung
fühlbar
und
sichtbar
gemacht. Zur Verstärkung des Körperausdrucks legt der Aufstellende jedem Rollenspieler einen für diesen typischen Satz inden Mund. So ist es möglich, dass alle Beteiligten die innere Haltung dieser Person
hören.
Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit und Tonfall verdeutlichen dabei den Gefühlsausdruck der Botschaft.
Wenn alle Rollenspielerinnen und Rollenspieler ihre Haltung zugewiesen bekommen haben, werden sie gebeten, mit ihrer Rolle Kontakt aufzunehmen. Die Personen sagen den Satz, den der Aufstellende ihnen gegeben hat.
Obiges Beispiel weitergeführt: Der abgewandte und zugleich fordernde Vater erhält beispielsweise den Satz: »Gehorcht mir!«, die bemühte Mutter »Ich halte alles zusammen«, das Vater suchende Kind »Wo bist du?« und das bei der Mutter
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