Familienaufstellungen
»Was geht in dir vor, wenn du deine Frau über ihren Sohn sagen hörst, dass …?«
Bei beiden Versionen erhält der Aufstellende von den Stellvertretern wichtige Informationen über das Erleben der realen Familienmitglieder. Die Rollenspieler können aufgrund ihrer Position wiedergeben,was die reale Person fühlt. Sie empfinden Wärme oder Kälte, Nähe oder Distanz, Zuneigung oder Abneigung gegenüber anderen Familienmitgliedern. An manchen Platzen fühlen sich Stellvertreter verwirrt und beziehungslos. Unterschiedlich intensiv werden Gefühle an den einzelnen Orten wahrgenommen. Nicht selten kommt es vor, dass ein Rollenspieler Schmerzen an einer Körperstelle empfindet, an der das reale Familienmitglied erkrankt ist. Wie schon erwähnt, funktioniert die Informationsübertragung möglicherweise mittels Spiegelneuronen, doch bedarf es hier noch weiterer Forschungen.
Zunächst werden alle Personen der Herkunfts- bzw. der Jetztfamilie aufgestellt. Anschließend lässt sich der Therapeut von den Rückmeldungen der Stellvertreter leiten, um herauszufinden, ob möglicherweise »vergessene« Personen fehlen. Ein Beispiel: Stehen Vater und Mutter mit deutlichem Abstand nebeneinander, erhält der Therapeut von den Stellvertretern oft den Hinweis, dass hier jemand fehlt. Wenn keine derartigen Bemerkungen fallen, fragt er den Aufstellenden selbst. Häufig zeigt sich, dass ein gestorbenes Kind, über das die Eltern nicht sprachen, eine Fehlgeburt, ein tot geborenes oder abgetriebenes Kind fehlt. Wird es hinzugestellt, verändert sich sofort das Erleben der einzelnen Personen. Die Stellvertreter der Eltern verstehen dann oft erst, warum sie weiter voneinander entfernt standen, oder ein Geschwisterkind, das bisher Angst empfand, wird ruhig, sobald dieses vergessene Kind einen angemessenen Platz erhält.
Wege der Lösungsfindung
→ A . Der Aufstellende sucht sich seinen guten Platz
Diese Art der Lösungsfindung ist noch am stärksten mit den ursprünglichen Familienskulpturen verwandt. Der Therapeut unterstützt den Aufstellenden dabei, mit den Personen im Familiensystem, mit denen er im Clinch liegt bzw. verstrickt ist, Kontakt aufzunehmen und sich dann seinen guten Platz zu suchen. Ich habe diese Form bei der Regensburger Familientherapeutin Hanna Grünewald-Selig (kennen-)gelernt.
Der Aufstellende löst sein Double ab und fühlt sich kurz in seinen »alten« Platz ein. Über die Aussagen der Stellvertreter hat der Therapeut bereits wichtige Hinweise erhalten, wo Beziehungen verstrickt sind, zu welchem Elternteil die Beziehung verhärtet oder unterbrochen ist. Er konzentriert sich auf Ressourcen, die bisher im Familiensystem nicht gesehen wurden, und bringt sie als neue Sichtweisen ein. Nun animiert der Therapeut den Aufstellenden, auf die Person zuzugehen, zu der der Kontakt gestört ist. Beispiel: Eine Tochter, die eine elterliche Funktion in der Herkunftsfamilie übernommen hat, ist sehr erbost über ihre Mutter, die ihr so viel Arbeit auflädt. Sie stellt sich vor ihre Mutter, legt ihre Hände in die Hände der Mutter, sieht sie an und sagt: »Liebe Mama, ich habe dir oft stundenlang zugehört und dir den Haushalt gerichtet. … Und das habe ich freiwillig getan, weil ich gesehen habe, dass du Hilfe brauchst. … Doch es ist zu viel für mich. … Denn ich bin deine Tochter und du bist meine Mutter. … Erlaubst du mir, dass ich jetzt mein eigenes Leben lebe?« Dann könnte die Mutter antworten: »Liebe Tochter, ich danke dir, dass du mir freiwillig geholfen hast. Es fällt mir nicht leicht, auf deine Hilfe zu verzichten. Ich liebe dich und darum hast du meinen Segen, nun dein eigenes Leben in die Hand zu nehmen.«
Nachdem der Therapeut den Aufstellenden gefragt hat, was er oder sie hier einmal laut ausdrücken möchte, formuliert er die Sätze positiv um, sodass die systemische Ordnung und Dynamik verdichtet aufgegriffen wird. Beispielsweise statt »Du sollst mich loslassen« bietet der Therapeut an »Ich gehe in mein Leben« und betont damit, dass die Ablösung ein aktiver Entwicklungsschritt des erwachsenen Kindes ist. Der Aufstellende kann nun selbst entscheiden, ob er die von der Therapeutin formulierten Sätze nachspricht, sie für sich umformuliert oder auch um Fehlendes ergänzt. Ein zentrales Thema, nachdem genug Raum für Enttäuschung, Verletzung, Wut gegeben wurde, ist der Segen der Eltern für die Zukunft. Steht die Ablösung von den Eltern im Zentrum der Aufstellung, wird durch ein individuell
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