Familienbande
Gegenteil. Das musste Kara doch wissen.
„Welcher Sinn läge darin, ihr erst das Leben zu retten und ihr danach Schaden zuzufügen?“, fragte er. „Ich habe sie aus dem Wasser gezogen.“
„Ja, das hast du“, gab Kara zu. „Und dafür bin ich dir sehr dankbar. Ich kann nur hoffen, dass du dabei noch nicht alle deine Kraft verbraucht hast. Du bringst meine Tochter in große Gefahr auf dieser Reise. Ich hoffe, das ist dir bewusst.“
„Keine Sorge“, sagte er. „Niemand wird Laney ein Haar krümmen. Aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn wir unser heutiges Gespräch kurz halten könnten. In ein paar Stunden müssen wir los und ich schlafe einfach besser, wenn du mich in Frieden lässt.“
Kara lächelte und erinnerte ihn damit wieder schmerzhaft an die Zeit, als sie noch am Leben gewesen war.
„Ach, Darrek. Das habe ich dir doch schon tausend Mal gesagt. Ich komme nur solange zu dir, wie du mich rufst. Sobald du mich nicht mehr brauchst, werde ich dich auch nicht mehr besuchen. Du kannst dich ja einfach aufs Sofa setzen und dir vorstellen, ich wäre nicht da. Dann findest du vielleicht ein bisschen Ruhe.“
Als wenn das so einfach wäre, dachte Darrek.
Dennoch folgte er ihrem Rat und legte sich mit geschlossenen Augen auf das Sofa. Kara begann leise zu singen und Darrek hatte das Gefühl, zum ersten Mal in einem seiner Träume einzuschlafen.
Kapitel 26
Das Meer
Sobald die Sonne untergegangen war, brachen sie auf. Es dauerte jedoch eine Weile, bis Laney begriff, dass ihr Ziel die kleine verlassene Insel war, die sie am Vortag betrachtet hatte. Laney verstand jedoch nicht genau, was Darrek und seine Truppe zu der Annahme verleitete, der Wilde könnte sich dort aufhalten. Es wäre doch für einen Wilden viel logischer gewesen, sich in der Nähe seiner Opfer aufzuhalten, statt sich auf einer Vogelinsel zu verstecken.
„William?“, fragte Laney leise, während sie die Küste entlang liefen.
„Ja, Samantha.“
„Wieso diese Insel? Woher wollt ihr wissen, dass der Wilde sich nicht woanders aufhält?“
„Die Insel ist ein Naturschutzgebiet“, erklärte William. „Trotzdem ist es den alten Stämmen gestattet, dort Rituale abzuhalten. Sie rudern hinüber, beten dort ein paar Stunden lang Steine an und kommen dann wieder zurück, ohne die Vögel zu stören.“
„Und weiter?“
„Tja. In letzter Zeit sind einige der Leute mit Blutmangel von ihren Exkursionen zurückgekehrt. Sie wollten nicht darüber reden und uns die Wunden nicht zeigen, aber alles deutet auf einen Wilden hin.“
Laney nickte. Das leuchtete ihr ein.
„Na fein. Und wie kommen wir jetzt zu dieser Insel hinüber? Nehmen wir auch ein Boot?“
„Zu auffällig“, beschied William und schüttelte den Kopf. „Wir schwimmen.“
„Schwimmen?“
William musste scherzen. Es war doch sicher viel zu gefährlich, eine so weite Strecke durchs Meer zu schwimmen. Doch als alle Truppenmitglieder ins Wasser wateten, wurde Laney klar, dass William es absolut ernst gemeint hatte. Unsicher blieb sie stehen.
„Was ist denn, Samantha?“, fragte William erstaunt. „Hast du etwa Angst vor ein bisschen Wasser? Du kannst doch schwimmen, oder?“
Langsam nickte Laney. Sie konnte schwimmen, aber das hatte ihr wenig gebracht, als sie vor zwei Tagen von Liliana ins Wasser geschmissen worden war. Das Wetter war zwar jetzt sehr viel ruhiger und beständiger, aber die Wellen jagten Laney einen Heidenrespekt ein. Sie zögerte.
„Dir wird nichts geschehen“, versicherte William ihr. „Das Meer ist heute ganz ruhig.“
„Versprich nichts, was du nicht halten kannst“, mischte Liliana sich ein und grinste dabei hämisch. „Die Wellen sind gefährlich.“
„Erzähl nicht so einen Unsinn“, brummte Darrek und packte entschlossen Laneys Arm. Er zog sie mit sich und schubste sie dann ins tiefere Wasser.
„Schwimm“, befahl er. „Du gibst das Tempo vor und falls du wirklich nicht mehr kannst, wird William dich sicherlich wieder heldenhaft erretten. Für dich ist er doch sowieso schon wie Superman, oder?“
William warf Darrek einen erstaunten Blick zu, zuckte dann aber mit den Schultern.
„Ich bin da, Samantha“, bestätigte er. „Ich lass dich nicht ertrinken. Versprochen.“
Laney schluckte. Das Wasser stand ihr bereits bis zur Hüfte und die leichten Wellen trieben die Nässe bis zu ihrer Brust. Ihr war klar, dass sie keine Wahl hatte. Sie war sich auch sicher, dass William nicht zulassen würde, dass sie ertrank. Je länger sie es
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