Familienbande
sprechen?“
„Doch, Schatz. Das will er. Sogar von ganzem Herzen. Aber er glaubt, dass du vielleicht eher wieder kommst, wenn er es nicht tut. Dass du mehr Sehnsucht bekommst, weißt du?“
Laney war skeptisch. Sie konnte sich gut vorstellen, wie wütend Jason auf sie war. Jahrelang hatten er und Kathleen den Spott und die Feindseligkeiten ihrer Artgenossen ertragen, nur damit Laney unter Ihresgleichen aufwachsen konnte und trotzdem nicht auf ihre Eltern verzichten musste. Und nun war sie es gewesen, die fortgegangen war.
„Wie läuft es zwischen euch beiden, seitdem ich weg bin?“, erkundigte sich Laney.
Sie wollte nicht schuld daran sein, dass Jason und Kathleen sich stritten. Die Beziehung der beiden war für sie immer ein Vorbild gewesen und sie fände es schrecklich, wenn die beiden durch ihr Verschwinden Probleme bekommen hätten.
„Laney …“
„Kathleen. Bitte. Ich bin kein kleines Kind mehr. Sag mir einfach die Wahrheit.“
„Er bestraft sich selber dafür, dass du gegangen bist. Er macht sich Vorwürfe, weil er auf die Idee gekommen ist, dich mit Greg zu verkuppeln, und weil er glaubt, dass er es vielleicht hätte verhindern können, dass du fortgehst. Aber mir macht er keine Vorwürfe und Greg eigentlich auch nicht. Wenn ich mit Jason alleine bin, ist es eigentlich immer noch wie früher. Er liebt mich viel zu sehr, um vollkommen im Selbstmitleid zu zerfließen. Und außerdem ist er ja an mich gebunden. Er kann also sowieso nicht weg.“
Laney schluckte. Kathleen hatte natürlich recht, aber besonders gut klangen ihre Worte nicht.
„Ich habe ihm auf jeden Fall gesagt, dass er sich keine Sorgen um dich machen soll, und er versucht es, so gut es geht“, erzählte Kathleen weiter. „Dein Vater ist ein toller Mann, Laney. Er kommt schon klar.“
„Danke“, gab Laney zurück. „Das ist endlich mal eine ehrliche Antwort.“
Sie hatte das Gefühl, dass Kathleen bei ihren Telefonaten häufig nicht ganz die Wahrheit sagte, weil sie sie schützen wollte. Doch Laney wollte die Wahrheit wissen. Sie musste die Wahrheit wissen.
„Wann kommst du wieder, Laney?“, fragte Kathleen schließlich.
Laney seufzte.
„Das fragst du jedes Mal.“
„Ja, weil es die Frage ist, die mich am meisten interessiert. Aber keine Sorge. Ich habe mich schon längst an die Antwort gewöhnt. Ich frage eigentlich nur noch aus Gewohnheit. Also: Wann kommst du wieder?“
„Das weiß ich noch nicht. Aber auf jeden Fall nicht, bevor Marlene aufwacht.“
„Oh. Wow. Sonst sagst du immer nur, dass du keine Ahnung hast und es selber noch herausfinden musst. Heißt das, es gibt Grund zur Hoffnung?“
„Mum. Es gibt immer Hoffnung. Und irgendwann werde ich auf jeden Fall wiederkommen. Ich verstehe eigentlich gar nicht, was die Eile soll. Wir werden doch alle nicht älter, schon vergessen?“
Laney wusste, dass das nicht ganz stimmte. Immerhin musste sie mit einundzwanzig das erste Mal schlafen gehen. Wenn sie den Zeitpunkt verpasste, dann könnte das zu großen Problemen führen. Doch darüber wollte sie sich im Moment nicht auch noch Gedanken machen müssen.
„Das habe ich nicht vergessen“, antwortete Kathleen. „Aber die Zeit kann manche Dinge verändern, mein Liebling. Warte einfach nicht zu lange, okay? Es gibt nämlich noch jemanden, der darunter leidet, dass du fort bist.“
Laney zögerte.
„Du meinst Greg, nicht wahr?“, fragte sie.
Seitdem sie fort war, hatte sie nicht mehr mit Greg gesprochen. Es tat ihr leid, dass er sich ihretwegen so Vorwürfe machte. Aber sie wusste einfach nicht, was sie zu ihm sagen sollte. Sie liebte ihn wie einen Bruder und wollte ihn nicht verletzen. Aber sie wollte auch nicht, dass er aus ihrem Verhalten die falschen Schlüsse zog. Sie hatte ihm zwar mehrmals Briefe geschrieben, aber das hatte ihn anscheinend nicht davon abbringen können, sie weiter zu suchen.
„Wie geht es ihm?“, fragte Laney.
Kathleen schwieg einen Moment und Laney bekam sofort wieder ein schlechtes Gewissen.
„Nein, warte“, sagte sie. „Das war eine blöde Frage. Vergiss es. Hast du in letzter Zeit mit ihm geredet?“
„Ja. Das habe ich. Er klang ziemlich mutlos. Ich glaube, er fühlt sich immer noch schuldig und glaubt, dass er dich zu sehr bedrängt hat.“
„Hat er meinen letzten Brief erhalten?“
„Ja. Und er wünscht sich von ganzem Herzen dir zurückschreiben zu können. Aber du hinterlässt ihm nie eine Adresse.“
„Das wäre auch ziemlich blöd. Ich bin ja schließlich
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