Familienbande
wir deine Hilfe. Wenn du merkst, dass Juan zu warm wird oder nicht mehr normal atmet, dann musst du Martha Bescheid sagen. Sein Leben könnte davon abhängen, verstehst du?“
Laney hatte zuerst Angst, ob sie vielleicht nicht doch ein bisschen zu melodramatisch wirkte. Immerhin war Mariana noch ein Kind, aber das Mädchen schien durchaus zu verstehen, worum es ging, und wirkte eher ernst als erschrocken. Die Verantwortung, die Laney ihr zu übernehmen zutraute, schien sie zu ehren.
„Ist gut, Samantha“, sagte sie und drückte Laneys Hand. „Also sage ich Martha Bescheid, falls Juan wieder so warm wird oder so blass ist wie du.“
Laney nickte, obwohl ihr der Vergleich nicht besonders gefiel. Selbst die Kinder hatten bemerkt, was sie so sehr zu verstecken versuchte; dass sie anders war. Als Mariana wieder spielen gegangen war, setzte Laney sich auf die Kante von Juans Bett und strich ihm zärtlich die Haare aus dem Gesicht. Er war ein ungewöhnlich schönes Kind, aber viel zu dünn und mit dunklen Ringen unter den Augen.
„Wenn ich sterbe, komme ich dann in den Himmel, Samantha?“, fragte er plötzlich aus heiterem Himmel und Laney zuckte ein wenig zusammen.
„Das weiß ich nicht, Juan“, sagte sie dann wahrheitsgemäß. „Ich denke, niemand weiß so genau, was dann passiert.“
Juan nickte ernst und sah sie dann wieder an.
„Wenn ich mir vorstelle in den Himmel zu kommen, dann stelle ich mir immer vor, dass die Engel so aussehen wie du.“
Es machte Laney traurig das zu hören, aber sie fühlte sich gleichzeitig auch geschmeichelt. Man hatte sie in ihrem bisherigen Leben schon als vieles bezeichnet, aber als Engel noch nie.
„Du wirst nicht so bald sterben, Juan“, sagte Laney voller Überzeugung. Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, um das zu verhindern. Juan war ein so ungewöhnliches Kind und sie hatte schon mehr als einmal darüber nachgedacht ihn zu verwandeln, um ihm das Leben zu retten. Doch sie wusste auch, dass kaltblütige Kinder bei Strafe verboten waren. Einen Menschen zu verwandeln war sowieso nicht erlaubt. Aber Kinder unter zwölf Jahren zu verwandeln, war äußerst gefährlich, weil sie unkontrollierbar waren. Die Ältesten gingen in solch einem Fall keine Risiken ein, sondern machten mit den Kindern kurzen Prozess.
„Liest du mir noch was vor, Samantha?“, fragte Juan und hielt Laney sein Buch entgegen.
Laney seufzte und gab sich geschlagen. Sie hatte eigentlich noch einige andere Dinge zu erledigen und sie musste die ganze Zeit daran denken, dass an diesem Abend ihr regelmäßiges Telefonat nach Hause dran war, aber dann würde sie halt wieder Überstunden machen. Juans hoffnungsvollem Blick konnte man einfach nicht widerstehen, also setzte sie sich zu ihm und fing an vorzulesen.
„Hallo Laney.“
„Hallo Mum.“
Laney wusste, dass sie erschöpft klang, und versuchte gar nicht erst es zu verbergen. Kathleen würde sie ohnehin durchschauen. Da konnte sie genauso gut ihre Müdigkeit durchklingen lassen.
„Ich hatte schon auf deinen Anruf gewartet“, sagte Kathleen mit einem leichten Vorwurf in der Stimme. „Du bist heute spät dran.“
„Ich weiß“, gab Laney zurück, während sie ihre Schuhe in eine Ecke kickte und sich auf den Sessel in ihrem Wohnzimmerbereich fallen ließ. „Tut mir leid. Ich hatte noch zu tun.“
„Ich frage wohl besser nicht was, nicht wahr?“
„Nein. Besser nicht.“
„Darf ich denn fragen, wie es dir geht?“
„Immer.“
„Gut. Also, wie geht es dir, Kleines?“
„Gut. Danke. Und selber?“
„Ach Laney. Komm schon. Ich dachte, wir wären über diese Formalitäten hinweg.“
Laney seufzte. Sie wusste, dass Kathleen und Jason sich Sorgen um sie machten. Sie waren ihre Eltern und hatten jedes Recht dazu. Aber Laney konnte ihre Sorgen nicht so einfach zerstreuen.
„Tut mir leid, Mum“, sagte sie reumütig. „Aber ich meine es ernst. Es geht mir wirklich gut. Ich habe dir doch erzählt, dass ich mich niedergelassen habe, und ich sehe bisher keinen Grund, diesen Ort zu verlassen. Ich habe hier Freunde gefunden und einen Job, der mir gefällt. Ich kann nicht behaupten, dass ich euch nicht vermisse, aber ich bereue es auch nicht fort gegangen zu sein.“
„Wir vermissen dich auch, Kleines. Jason macht sich immer noch große Sorgen um dich und versteht nicht, warum du nicht wenigstens mal zu Besuch nach Hause kommen kannst.“
„Ist Dad gerade da?“
„Nein.“
„Er will also immer noch nicht mit mir
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