Familienbande
Mr. Flawse schüttelte den Kopf. »Ich habe neunzig Jahre ohne so ein Ding gelebt und werde auch ohne eins sterben.«
»Das sollte mich kein bißchen wundern«, bemerkte Mrs. Flawse, »aber ich wüßte nicht, weshalb du mich mit ins Grab nehmen solltest. Ich bin heißes Wasser und einen gewissen Komfort gewöhnt und ...«
»Ma‘am«, sagte Mr. Flawse, »ich wasche mich mit kaltem Wasser ...« »Selten«, sagte Mrs. Flawse. »Wie ich soeben sagte ...« »Wir können Butangas nehmen, wenn du gegen Strom bist.« »Ich lasse keine neumodischen Apparate ...«
So stritten sie sich, bis es Zeit zum Abendessen war, und in der Küche spitzte der im Hammeleintopf rührende Mr. Dodd die Ohren.
»Der olle Düvel hat ‘n bißken mehr abgebissen, als er Zähne zum Kauen im Maul hat«, dachte er bei sich und warf seinem alten Collie neben der Tür einen Knochen hin. »Und wenn die Modder so unbeugsam ist, wie mag dann erst die Dochter sin?« Mit solchen und ähnlichen Überlegungen machte er sich in der Küche nützlich, die so viele Jahrhunderte Flawsesche Frauen hatte kommen und gehen sehen und in der sich immer noch der Geruch jener Jahrhunderte hielt, nach denen Lockhart sich sehnte. Mr. Dodd hatte für so etwas keine Nase, für diesen Moschusgeruch nach ungewaschenen Menschen, alten Stiefeln und schmutzigen Socken, nassen Hunden und räudigen Katzen, nach Seife und Politur, frischer Milch und warmem Blut, gebackenem Brot und abgehangenem Fasan, all diesen Notwendigkeiten des herben Lebens, das die Flawses seit Erbauung des Hauses geführt hatten. Er selbst gehörte zu diesem Moschusgeruch und hatte die gleichen Vorfahren. Doch nun hatte das Haus eine neue Zutat bekommen, die er gar nicht riechen mochte.
Das galt auch für Mr. Flawse, als er und Mrs. Flawse sich nach einem trübseligen Abendessen in ihr eisiges Schlafzimmer und unter ein nach feuchten und vor zu kurzer Zeit gerupften Hühnern riechendes Federbett zurückzogen. Draußen pfiff der Wind in den Schornsteinen, und aus der Küche drang das leise Wimmern von Mr. Dodds northumbrischem Dudelsack, als er »Edward, Edward« spielte. Für diese triste Stunde schien es die angemessene Ballade zu sein. Im ersten Stock kniete Mr. Flawse neben dem Bett.
»Oh Herr ...«, setzte er an, als ihm seine Frau das Wort abschnitt.
»Es ist zwecklos, um Vergebung zu bitten«, sagte sie. »Du kommst nicht in meine Nähe, bevor wir ein Einvernehmen erzielt haben.«
Vom Fußboden aus betrachtete der Alte sie böse. »Einvernehmen? Was für ein Einvernehmen, Ma‘am?«
»Ein glasklares Einvernehmen, daß du dieses Haus so schnell wie möglich modernisieren läßt, und daß ich bis dahin in mein eigenes Heim zu dem gewohnten Komfort zurückkehre. Ich habe dich nicht geheiratet, um an einer Lungenentzündung zu sterben.«
Mr. Flawse rappelte sich auf. »Und ich habe dich nicht geheiratet«, donnerte er, »um mir meine häuslichen Angelegenheiten von einem blutjungen Ding vorschreiben zu lassen.«
Mrs. Flawse zog sich trotzig das Laken um den Hals. »Und ich lasse mich nicht anschreien«, gab sie zurück. »Ich bin kein blödes junges Ding. Zufällig bin ich eine anständige ...«
Ein erneutes Windheulen aus dem Kamin sowie der Umstand, daß sich Mr. Flawse einen Schürhaken vom Rost gegriffen hatte, brachten sie zum Schweigen.
»Anständig willst du sein? Und welche anständige Frau heiratet einen alten Mann um seines Geldes willen?«
»Geld?« sagte Mrs. Flawse, beunruhigt ob dieses neuen Beweises, daß der alte Narr doch nicht so närrisch war. »Wer hat was von Geld gesagt?«
»Ich«, tobte Mr. Flawse. »Du hast mir einen Antrag gemacht, aber ich habe im stillen gelacht, und wenn du auch nur eine Sekunde lang geglaubt hast, ich wüßte nicht, worauf du aus bist, hast du dich gewaltig geirrt.«
Mrs. Flawse griff auf den Tränentrick zurück. »Ich habe gedacht, du wärst wenigstens ein Gentleman«, schluchzte sie.
»Aye, hast du das. Das zeigt, wie dämlich du bist«, sagte der alte Mann, mittlerweile so rot wie sein Flanellnachthemd. »Tränen bringen dich auch nicht weiter. Damit der Bastard deine bescheuerte Tochter kriegen konnte, hast du die Bedingung gestellt, daß du meine Frau wirst. So, du hast dir die Suppe selbst eingebrockt, jetzt mußt du sie auch auslöffeln.«
»Aber nicht mit dir in einem Bett«, sagte Mrs. Flawse. »Lieber sterbe ich.«
»Was durchaus geschehen könnte, Ma‘am, durchaus. Ist das Euer letztes Wort?«
Mrs. Flawse zögerte und wog rasch zwischen der
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