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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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mehr in der Wheedle Street bei Sandicott & Partner. Mr. Treyer, der sich entscheiden mußte, seine Rücktrittsdrohung wahrzumachen, da Lockhart nicht verschwand, eine Entscheidung, die er Mr. Dodd verdankte, der Mr. Treyers Brief nicht an Mrs. Flawse weitergeleitet hatte, griff schließlich auf eine subtilere Taktik zurück und zahlte Lockhart seinen vollen Lohn sowie eine Prämie, damit er dem Büro fernbliebe, bevor er einen Steuerfahnder umbrachte oder sämtliche Klienten vergraulte und so das Geschäft in den Ruin trieb. Lockhart akzeptierte dieses Arrangement ohne Bedauern. Was er von Mr. Treyer, Mehrwertsteuerexperten, den Widersprüchen zwischen Einkommen und Einkommenssteuer und den Tricks und Schlieben von Steuereintreibern wie Steuerhinterziehern mitbekommen hatte, bestätigte ihn nur in seiner Auffassung, daß die moderne Welt verkommen und korrupt war. Da er von seinem Großvater erzogen worden war, zu glauben, was man ihm sagte, und das zu sagen, was er glaubte, hatte der Wechsel in eine Welt, in der das Gegenteil galt, einen traumatischen Effekt.
Bei vollem Lohn sich selbst überlassen, war Lockhart zu Hause geblieben und hatte Fahrstunden genommen.
»Das hilft, die Zeit totzuschlagen«, hatte er Jessica erklärt, und sich anschließend große Mühe gegeben, zwei Fahrlehrer und jede Menge andere Verkehrsteilnehmer totzufahren. Da er mehr an die Fortbewegung von Pferden und Kutschen gewöhnt war als an das plötzliche Beschleunigen und Abbremsen von Automobilen, sah Lockharts Fahrstil so aus, daß er das Gaspedal durchdrückte, ehe er die Kupplung kommen ließ, und unvermittelt auf die Bremse trat, ehe er in alles raste, was ihm gerade im Weg stand. Diese sich wiederholende Prozedur hatte zur Folge, daß seine Fahrlehrer, starr vor Angst, nicht mehr in der Lage waren, ihrem Schüler eine andere Variante nahezulegen. Nachdem er die Frontpartien von drei Fahrschulwagen und die Heckpartien von zwei abgestellten Wagen sowie einen Laternenpfahl zerstört hatte, war es Lockhart schwergefallen, überhaupt noch jemanden zu finden, der ihm das Fahren beibrachte.
»Ich versteh‘s einfach nicht«, teilte er Jessica mit. »Bei einem Pferd steigt man in den Sattel und los geht‘s. Da stößt man nicht dauernd gegen irgendwas. Ein Pferd ist vernünftiger.«
»Vielleicht kämst du besser zurecht, wenn du den Fahrlehrern zuhören würdest, Liebling. Die müssen doch schließlich wissen, was du zu tun hast.«
»Der letzte«, sagte Lockhart, »hat vorgeschlagen, ich solle meinen Matschkopf untersuchen lassen, dabei fehlte mir überhaupt nichts. Den Schädelbruch hatte er.«
»Schon richtig, Liebster, aber du hattest gerade den Laternenpfahl umgefahren. Das weißt du doch.«
»Gar nicht wahr«, sagte Lockhart entrüstet. »Das Auto hat ihn umgefahren. Ich habe lediglich den Fuß von der Kupplung genommen. Es war doch nicht meine Schuld, daß der Wagen wie eine verbrühte Katze von der Straße gesaust ist.«
Als er einem der Fahrlehrer Gefahrenzulage zahlte und ihm erlaubte, mit einem Sturzhelm und zwei Sicherheitsgurten auf der Rückbank Platz zu nehmen, bekam Lockhart schließlich den Dreh raus. Da der Fahrlehrer darauf bestand, Lockhart müsse sein eigenes Fahrzeug stellen, hatte er sich einen Land-Rover zugelegt. Der Fahrlehrer baute eine Drehzahlsperre ein, und gemeinsam hatten sie auf einem stillgelegten Flugplatz geübt, wo es kaum Hindernisse gab und keine anderen Autos verkehrten. Sogar unter diesen behinderungsfreien Bedingungen hatte Lockhart es geschafft, zwei Hangars an zehn Stellen zu perforieren, als er mit über sechzig Stundenkilometern durch ihre verrosteten Wände brauste, und es sprach für den Land-Rover, daß er die Fahrt so gut überstand.
Was auf den Fahrlehrer nicht zutraf. Er hatte sie äußerst schlecht überstanden und sich nur durch noch mehr Geld und eine Flasche Scotch überreden lassen, wieder auf dem Rücksitz Platz zu nehmen. Nach sechs Wochen hatte Lockhart seinen ausgeprägten Drang überwunden, auf Hindernisse zu- statt um sie herumzufahren, und wurde auf Nebenstraßen und schließlich auf Hauptstraßen losgelassen. Damit erklärte der Fahrlehrer, er könne jetzt die Fahrprüfung ablegen. Der Prüfer war anderer Meinung und forderte auf halber Strecke, man möge ihn aussteigen lassen. Doch beim dritten Anlauf bekam Lockhart seinen Führerschein, vor allem, weil der Fahrprüfer die Aussicht nicht ertragen konnte, ein viertes Mal neben ihm sitzen zu müssen. Mittlerweile litt der

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