Familienkonferenz in der Praxis
könne in unserem Zimmer auf dem Fußboden schlafen. Das hielten wir für keine gute Lösung, weil er sich erkälten könnte. Wir überlegten, ob andere Betten zur Verfügung stünden. Schließlich einigten wir uns alle darauf, dass er im Doppelbett im Gästezimmer schlafen könnte.«
Kinder können sehr vernünftig sein
Wir hatten Gelegenheit, sehr viele Vorfälle zu sammeln, die zeigen, wie vernünftig Kinder sein können. Sie akzeptieren Lösungen, die weit weniger gefährlich sind als die Lösungen, die sie ursprünglich wünschten. Häufig können Eltern kaum glauben, dass ihre Kinder diesen Lösungen mit solcher Bereitwilligkeit zustimmen.
Sie hätten sie niemals für akzeptabel gehalten. Methode III bewirkt etwas sehr Bemerkenswertes:
Sie scheint Kinder dazu zu veranlassen, ihre »Für-mich-kommtnichts-anderes-infrage, -als-meinen-Willen-zu-bekommen «-Haltung aufzugeben. Wenn sie sehen, dass ihre Eltern bereit sind, ihre Haltung aufzugeben, zu verhandeln – die Bedürfnisse ihrer Kinder ernsthaft zu berücksichtigen –, sind auch die Kinder bereit zu verhandeln. Das Denken in den Begriffen von »Entweder-oder« verliert sich. Die Haltung des »Ich-gegen-dich« wird fallengelassen. Der Wille zu siegen wird durch den ehrlich gemeinten Wunsch ersetzt, die Bedürfnisse der Eltern zu berücksichtigen.
In der folgenden Konfliktlösungssituation lässt sich deutlich verfolgen, wie das ursprünglich sehr ausgeprägte Bedürfnis, mit dem Fahrrad auf der Straße zu fahren, der Bereitschaft Platz macht, eine weniger verlockende Lösung zu akzeptieren:
»Mein Sohn wollte mit dem Fahrrad auf der Straße fahren, in der wir wohnen. Soweit wir das beobachten konnten und soweit uns seine Reaktionen im Verkehr bekannt waren, hielten mein Mann und ich es einfach für zu gefährlich, ihn dort fahren zu lassen. Wir teilten unserem Sohn mit, wie wir darüber dachten. Er war völlig niedergeschmettert. Es war so schön, auf einer ebenen Fläche zu fahren – das machte so viel Spaß. Wir hörten ihm zu, und ihm wurde klar, dass wir ihm das Radfahren gönnten. Wir fassten zusammen, wie wir die Situation einschätzten. Alle drei begannen wir mit der Problemlösung. Unser Sohn meinte, ihm würde es Spaß machen, auf der Asphaltdecke des Schulhofes zufahren. Es war sein Vorschlag, und wir waren damit einverstanden. Wir kamen überein, dass er sein Fahrrad zum Schulhof schieben müsse und dann dort fahren könne. Dort war kein Verkehr. Er war erfreut, und wir waren zufrieden. So ging das einige Wochen, bis er genügend Geschicklichkeit und Selbstvertrauen gewonnen hatte, um verantwortungsbewusst und sicher auf der Straße zu fahren.«
Problemlösung mit Säuglingen
Eltern von Säuglingen meinen häufig, die Techniken, die sie in der ›Familienkonferenz‹ lernen, seien für sie nicht so brauchbar wie für die Eltern älterer Kinder. Dieser Auffassung begegnet man besonders häufig im Zusammenhang mit der niederlagelosen Problemlösung, da die Sprachentwicklung des Kindes relativ fortgeschritten sein müsse. Eltern und Kursleiter sind deshalb gewöhnlich davon ausgegangen, dass Methode III nicht angewendet werden könne, bevor ein Kind nicht drei oder vier Jahre alt ist. Wir wissen aber, dass Eltern die Methode durchaus
bei Säuglingen und der Sprache noch nicht mächtigen Kleinkindern anwenden können. Der Problemlösung bei Säuglingen liegt dieselbe Folge von sechs Schritten zugrunde, nur dass sie im wesentlichen nicht verbal ist. Alle sechs Schritte im folgenden Beispiel:
»Mein Kind weinte und schrie im Laufstall. Es rüttelte an den Stäben und machte ein Höllentheater. Offensichtlich wollte es hinaus. Ich wollte es nicht im Wege haben. Ich machte nämlich das Haus sauber, weil wir Freunde erwarteten (Schritt I: Definieren des Konfliktes). Ich wollte es mit Methode III versuchen. Ich überlegte mir verschiedene Lösungen. Zuerst füllte ich seine Flasche halb mit Milch und gab sie ihm (Schritt II: Lösungen vorschlagen). Er warf die Flasche aber fort und schrie nur noch lauter (Schritt III: Lösungen bewerten). Dann legte ich ihm eine Klapper in das Ställchen (Schritt II). Er beachtete sie überhaupt nicht, weinte weiter und rüttelte am Ställchen (Schritt III). Schließlich erinnerte ich mich an eine kleine farbige Schachtel, die ich irgendwann einmal gekauft und fortgelegt hatte. Ich ging zum Schrank, nahm sie heraus und gab sie ihm (Schritt II). Sofort hörte er zu weinen auf und begann mit der Schachtel zu
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