Familienkonferenz in der Praxis
zwei Wochen kamen wir mehrere Male bei einem Psychologen zusammen.
Schließlich hatten Jim und ich das Gefühl, dass nur wir Zugeständnisse machten. Wir nahmen es Lisa übel, dass sie sich noch immer weigerte, nach Hause zu kommen. Außerdem machten uns die Kosten der Beratung sehr zu schaffen. Sie zog also wieder zu uns, und ein sehr gespannter Burgfriede wurde geschlossen. Wir hatten wenig Anlass, ihr zu trauen. Eines Morgens sah ich, dass sie nicht die Richtung zur Schule einschlug. Ich holte den Wagen heraus und fuhr sie hin. Wie sich später herausstellte, hatte sie sie sofort wieder durch einen anderen Ausgang verlassen und den Tag bei einem Freund zu Hause verbracht. Nicht lange danach brachte ein Berater sie aus der Schule nach Hause. Sie litt unter einer Überdosis von Aufputschmitteln. Es folgten einige Tage ohne Zwischenfälle.
Dies allein hätte genügt, uns vor Sorge krank zu machen. Zu allem Überfluss hatte aber auch noch unser 16-jähriger Sohn Bill Schwierigkeiten. Er war den größten Teil der Zeit krank. Wahrscheinlich nahm er Drogen und aß nichts Rechtes. Schließlich wurde er ins Krankenhaus
eingeliefert. Es bestand Verdacht auf ein Magengeschwür. Die Tests waren allerdings negativ ausgefallen.
Als er wieder zur Schule ging, wurden seine Leistungen immer schlechter. Häufig schwänzte er den Unterricht oder schlief ein. Schließlich wurde er mehrmals beim Rauchen erwischt und vom Unterricht ausgeschlossen. Er verhielt sich völlig unberechenbar und verschwand manchmal für ein oder zwei Tage. Dann erzählte er uns irgendwelche Märchen, wenn wir ihn fragten, wo er gewesen sei.
Bill war als kleines Kind sehr schüchtern und empfindsam gewesen. Er hatte vor vielem Angst. Ich hatte mir Sorgen gemacht, ob er fähig sein würde, mit der Schule fertigzuwerden. Wenn der Druck nicht zu groß war, schienen seine Leistungen aber recht gut zu sein. Er hatte sich zu einem großen, gut aussehenden jungen Mann entwickelt. Er liebte die Musik, aber er unterzog sich nicht gerne der Mühe von Übungsstunden. So war er auch in keiner Band. Er hätte niemandem absichtlich wehgetan, aber er war auf dem besten Wege, sich selbst zu zerstören. Meine Enttäuschung und meine Hilflosigkeit krampften mir den Magen zusammen und gingen mir dauernd im Kopf herum. Meine Niedergeschlagenheit war so groß, dass ich mit niemandem sprechen und mir von niemandem helfen lassen mochte. Unser Hausarzt schlug uns die Teilnahme am ›Familienkonferenz‹-Kurs vor. Ich glaubte aber nicht, dass mir ein Kurs aus meinen Schwierigkeiten helfen könne. So verbrachten wir das Weihnachtsfest mehr schlecht als recht, bis dann in der Woche nach Silvester der Alptraum seine Fortsetzung fand. Bill nahm eine Überdosis LSD. Seine Halluzinationen hörten nicht auf, und schließlich bat er mich um Hilfe.
Jim war nicht in der Stadt; so fuhren Mike und ich ihn ins Krankenhaus, wo er in die geschlossene Abteilung der psychiatrischen Station eingeliefert wurde. Ich werde niemals das Geräusch vergessen, mit dem die schwere Metalltür hinter uns ins Schloss fiel.
In den nächsten zwei Wochen begann er das Krankenhaus als Ausweg anzusehen. Aller Druck war von ihm abgefallen, man sorgte für ihn, er hatte ein Zimmer für sich, Radio und Fernseher und bekam zu essen, wann er es wünschte. Der Arzt teilte uns aber mit, dass er zu überhaupt
keiner Kooperation bereit sei. Er empfahl uns, ihn für schwer erziehbar zu erklären und Fürsorgeerziehung für ihn zu beantragen. Wir sahen darin keine Lösung und fürchteten, das Problem dadurch nur zu verschlimmern. Am Ende der zweiten Woche brachten wir ihn nach Hause.
Alles war bereit für den Schlussakt. Jim war wieder zur Arbeit gegangen, nachdem er uns vom Krankenhaus abgeholt hatte. Bill und ich waren in der Küche, aßen eine Suppe, und ich sagte ihm, dass ich nach dem Essen mit ihm zur Schule fahren würde, um festzustellen, wie seine Leistungen seien und was er tun müsse, um aufzuholen. Damit war er absolut nicht einverstanden. Er widersprach mir, wurde feindselig und sagte, er würde fortgehen. In dem Augenblick, als er das sagte, erschien Lisa und sagte, sie würde mit ihm gehen. Sie hatte die Schule geschwänzt und hatte schlechte Laune, weil wir ihr am Abend zuvor gesagt hatten, dass sie erst im nächsten Sommer ihren Führerschein machen dürfte. Die beiden packten einen Seesack, wobei sie sorgfältig darauf achteten, nur Dinge zu nehmen, von denen sie sich sicher waren, dass sie wirklich
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