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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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ihnen gehörten. Bevor sie gingen, sagte ich: »Seid ihr sicher, dass ihr wisst, was ihr da macht?«
    Lisa erwiderte: »Ich weiß, dass wir vielleicht einen Fehler machen, wir müssen das aber selbst herausfinden.« Und damit stapften sie durch das Eis und den Schnee des Parks, der hinter unserem Hause liegt. Es müssen an diesem Tage zehn Grad unter null gewesen sein, und in meinem Innern war es fast genauso kalt und eisig, solche Angst hatte ich um sie. Dieses Mal gab es keine Anrufe, gar nichts. Selbst ihre Freunde hatten Angst. Wir waren ohne Lebenszeichen von den beiden, seit sie das Haus verlassen hatten. Ich hatte lediglich festgestellt, dass sie Bills Ersparnisse von der Bank abgehoben hatten. Die Tage vergingen. Endlich am zehnten Tag erhielten wir einen Brief, in dem Lisa uns mitteilte, dass sie in Kalifornien auf einer Farm lebten. Sie baten uns, ihnen Bills Führerschein und ihre Sozialversicherungskarten zu schicken. Das taten wir. Einige Wochen später – wir begannen uns gerade an die Situation zu gewöhnen – wurde Südkalifornien von einem Erdbeben heimgesucht. Es handelte sich ausgerechnet um das Gebiet, in dem sie lebten. Sie hatten kein Telefon. Wir waren außer uns vor Angst! An diesem
Nachmittag bekam ich einen Anruf von einer örtlichen Polizeistelle. Der Beamte fragte, ob wir einen Sohn Bill im Alter von 16 und eine Tochter Lisa im Alter von 14 hätten, die sich in Kalifornien aufhielten. Mein Magen drehte sich in panischem Schrecken um! Der Schrecken machte aber rasch Erleichterung Platz, als der Beamte mir mitteilte, dass sie unversehrt seien und sich in der Nähe ihres letzten Wohnortes in Polizeigewahrsam befänden. In der Nacht zuvor war Bill von der Polizei aufgegriffen worden, als er sich auf dem Parkplatz des Sheriffs herumtrieb. Er hatte die Polizei auf die Farm geschickt, auf der Lisa sich noch befand. Offensichtlich wuchs ihm die Situation über den Kopf. Ihr Geld und die meisten Dinge aus ihrem Besitz waren entwendet worden. Sie aßen nur noch sehr unregelmäßig. Das Haus war schmutzig und reparaturbedürftig. Es gab keine sanitären Einrichtungen. Der Polizeigewahrsam musste ihnen wie eine Erlösung vorkommen. Sie wurden aber getrennt untergebracht, und keiner von ihnen wusste vom anderen, wo er sich während des Erdbebens befand. Die Haftanstalt war vom Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen worden, doch Bill und Lisa blieben unverletzt. Später wurden sie nach Los Angeles überführt.
    Mein Mann setzte sich sofort in den Wagen und fuhr die 3000 Kilometer nach Los Angeles fast ohne Aufenthalt. Bill und Lisa waren sehr erleichtert, ihn zu sehen. Ihnen war wohl klargeworden, wie sehr ihm an ihnen gelegen sein musste, wenn er alles stehen- und liegengelassen und sich sofort auf den Weg gemacht hatte. Die Heimreise war überraschend friedlich, die Unterhaltung gelöst und verhältnismäßig normal. Zu Hause waren die beiden etwas kleinlaut und schienen eher bereit zu sein, sich unserer Lebensweise anzupassen.
    Bill war in der Schule so weit zurückgeblieben, dass er sie ganz aufgab und eine Stellung als Gepäckträger annahm. Ich war glücklich, dass er etwas Konstruktives tat. Ich fragte mich allerdings, wie lange er seine Stellung behalten würde, weil er häufig zu spät kam oder gar nicht hinging. Wir überließen ihm den Wagen nicht sehr oft, weil wir wussten, dass er trank. Aber er fuhr auch mit Freunden, die genauso verantwortungslos waren. Das war eine ständige Sorge für uns.

    Lisa ging wieder zurück in die Schule und holte rasch auf, was sie versäumt hatte. Aber sie war ruhelos und fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Sehr häufig schwänzte sie die Schule und war in ihrer Arbeit sehr saumselig. Voller Sorge fragten wir uns, was sie und ihre Freunde während all der Stunden machten, die sie nicht in der Schule waren. Bei der kleinsten Frage fuhr sie sofort aus der Haut. Wir hatten Angst, durch unsere Fragen alles nur noch schlimmer zu machen. In gewisser Hinsicht ließen wir uns von ihr erpressen. Sie erreichte es, dass wir uns ganz aus ihren Angelegenheiten heraushielten. Die Spannungen wuchsen wieder. Irgendwie kamen wir über den Frühling, aber wir waren uns darüber klar, dass wir Hilfe brauchten. Unser Hausarzt drängte uns immer wieder, an einem ›Familienkonferenz‹-Kurs teilzunehmen, was wir dann im Mai auch taten.
    Mein Aufstieg aus den Tiefen der Verzweiflung begann. Mit jeder neuen Woche stieß ich auf neue Erkenntnisse und Einsichten. Es war, als käme

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