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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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erkennt, dass man bereit ist, es zu verstehen und zu akzeptieren. »Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte«, bemerkte eine Mutter. Ihre Äußerung spiegelt die Einstellung wider, die sich in vielen unserer Interviews abzeichnete. Häufig berichteten Eltern von sehr kurzen Gesprächen, in denen nur ein oder zwei Reaktionen des aktiven Zuhörens erforderlich waren. In anderen Familien ging es nicht so rasch. Hier mussten komplexe Probleme und tiefer liegende Gefühle aufgearbeitet werden.
    Der Zauber des »Ich verstehe dich«
    Wie Sie sich erinnern werden, zeigt aktives Zuhören der anderen Person, dass Sie ihr nicht nur zuhören, sondern dass Sie sie auch verstehen! Diese Botschaft wirkt häufig wie ein Zauberwort. Nehmen wir als Beispiel den Bericht eines Pfarrers. Es handelt sich um seinen 15-jährigen Sohn Arnold:

    »Als wir es (das aktive Zuhören) das erste Mal versuchten, war ich zufälligerweise in der Rolle des Beobachters. Es erschien mir kaum glaubhaft … Wir saßen im Innenhof. Meine Frau sagte irgendetwas zu Arnold. Daraufhin wandte er sich Liz, meiner Frau, zu und schrie so laut er konnte: ›Du machst
mich einfach rasend!‹ Ich erlebte meinen Sohn zum ersten Mal von dieser Seite. Wissen Sie, er war so etwas wie der Pastorensohn, eine Art Vorbild für alle artigen Jungen und Mädchen. Nun schrie er hier, dass einem fast das Trommelfell platzte. Liz aber sah ihn nur an und sagte: ›Das ging dir unter die Haut, was?‹ Sie hätten sein Gesicht sehen sollen! Er hatte von ihr eine genauso laute und hysterische Äußerung erwartet. Als nun aber diese Reaktion erfolgte …, schraubte er seine Lautstärke auf einen normalen Gesprächston zurück und sagte: ›Das ging es, Mama.‹ Seine nächste Äußerung war noch bedeutsamer: Er sagte: ›Und ich denke, dir ging es auch unter die Haut.‹ Ich konnte es nicht glauben! In wenigen Minuten war etwas bereinigt worden, was sich normalerweise zu einem zweistündigen erbitterten Streit und vielleicht auch zu einem Abbruch der Kommunikation für zwei Tage ausgewachsen hätte … Nur weil einer zu sagen wagte: ›Ich verstehe dich.‹ Nicht: ›Du hast unrecht‹, sondern ›Ich verstehe dich‹.«

    Ein »Ich verstehe dich« ist eben viel wertvoller als noch so viele Lösungen, die man dem Kind vorschlägt. Das zeigt sich auch im folgenden kurzen Gespräch:

    »Unsere Tochter hat Schwierigkeiten, abends einzuschlafen, selbst wenn sie müde ist. Immer wieder kommt sie ins Wohnzimmer und erzählt, dass sie sich Sorgen mache, sie werde am nächsten Tag in der Klassenarbeit versagen, wenn sie ihren Schlaf nicht bekomme. Wir schlagen ihr dann gewöhnlich vor, sich ruhig ins Bett zu legen und sich auszuruhen. Oder wir versichern ihr, dass sie gar nicht so viel Schlaf brauche, und trösten sie noch auf mancherlei andere Weise. Gestern Abend passierte das Gleiche. Statt ihr aber Lösungen anzubieten, sagte ich: ›Es ist wirklich ein Problem für dich, einzuschlafen.‹ Sie sagte: ›Ja‹, verließ den Raum und ward nicht mehr gesehen.«

    Eine Sechsjährige kam laut weinend mit einem blutenden Knie nach Hause, das sie sich beim Rollschuhlaufen geholt hatte. Ihre Mutter versuchte es mit aktivem Zuhören:

    M : Komm rein und setz dich hin.
    K : Will ich nicht.
    M : Hm, das Knie ist schlimm, was? Was hältst du von einem Pflaster?
    K : Ich will keines.
    M : Nun, dann schnall die Rollschuhe ab.
    K : Nein, ich will wieder Rollschuh laufen.
    M : Du möchtest nicht, dass ich irgendetwas tue, nicht wahr?
    K : Nein, ich möchte nur, dass du weißt, dass ich mir wehgetan habe.
    M : Du möchtest, dass ich deine Wunde sehe und weiß, dass du dir wehgetan hast.
    K : (abschließend) Ja!

    Daraufhin wandte das Kind sich um und ging wieder Rollschuh laufen.
    Oder nehmen wir das dreijährige Mädchen, das während eines Unwetters Angst vor dem Donner hatte:

    »Der Donner und die Blitze regten sie sehr auf – vor allem aber war es das Geräusch. Weinend kam sie zu mir und sagte: ›Ich habe Angst – ich mag den Donner nicht.‹ Ich begann mit Kommunikationssperren, indem ich sagte: ›Das sind nur Wolken, die aneinanderstoßen.‹ Aber sie weinte weiter und sagte: ›Ich mag es nicht hören, ich habe Angst.‹ Ich sagte: ›Es tut dir nichts, es ist nur ein Geräusch.‹ Das Weinen wurde heftiger. Dann fiel es mir ein. Richtig, aktives Zuhören! So sagte ich: ›Du machst dir Sorgen wegen des Donners und möchtest, dass er aufhört, weil er

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