Familienkonferenz in der Praxis
sagte: ›Ich hasse dich.‹ Ich war ehrlich verzweifelt! Ich hatte das Gefühl, als Mutter gänzlich versagt zu haben. Heute würde es mich kaum noch stören …«
Vater : »Ja, dann kam sie und erzählte es mir. Sie war jedes Mal sehr mutlos, wenn er so etwas zu ihr gesagt hatte. Es nahm ihr den Wind aus den Segeln, sie wusste nicht mehr weiter …«
Mutter : »Ich habe begriffen, dass ich so etwas nicht als persönlichen Angriff werten darf. Stattdessen muss ich herausbekommen, was die Kinder wirklich fühlen … Nun haben sie die Möglichkeit, ihre Gefühle zu äußern und verstanden zu werden … Sie haben die Möglichkeit zu erkennen, dass diese Gefühle in Ordnung sind.«
Wie hilft man Kindern, Realität und Grenzen zu akzeptieren?
Das Leben erlegt Kindern Grenzen und Einschränkungen auf. Das kann grausam für sie sein. Aktives Zuhören ist ein sehr nützliches Instrument, wenn man ihnen helfen möchte, die Grenzen zu akzeptieren
und sich in die bitteren Realitäten des Lebens zu fügen. Ein Vater erzählte uns von solch einem Vorfall. Sein neunjähriger Junge lernte mithilfe der Eltern, dass man nicht alles haben kann, was man gerne möchte. Es ging um ein neues Fahrrad:
»Er wünschte sich das neue Fahrrad über alles: So ein tolles Fahrrad, wie es die Kinder in der Nachbarschaft besaßen … Er kam auf die Idee, sein altes in Zahlung zu geben. Ich half ihm dabei, es blank zu putzen. Er nahm es mit in den Laden und suchte sich dann das aus, das ihm gefiel. Der Verkäufer teilte ihm mit, dass sein Fahrrad sehr gut in Schuss sei und er ihm 30 Dollar dafür geben würde. Dasjenige jedoch, das er haben wollte, kostete 95 Dollar. Er war am Boden zerstört, als er nach Hause kam. Er beherrschte sich aber und ließ nichts verlauten. Ich sagte so etwas wie: ›Bob, du musst ja schrecklich enttäuscht sein; man kann es nur schwer verkraften, wenn so etwas passiert.‹ Da war es mit seiner Beherrschung zu Ende, und er weinte … Danach war er sehr unruhig und wusste nicht, was er tun sollte. Ich sagte ihm noch einmal, dass ich verstünde, wie ihm zumute sei, dass ich aber glaube, er werde damit fertigwerden. Wenn er Lust dazu habe, könne er hinauskommen und uns im Garten helfen. Eine halbe Stunde später kam er dann. Den ganzen Nachmittag über befand er sich in einem Zustand regelrechter Begeisterung. Richtig aufgemöbelt war er … Er hatte etwas Schlimmes durchgemacht, aber seine Eltern fühlten mit ihm. Das half ihm, darüber hinwegzukommen. Irgendwie tat das seinem Selbstgefühl gut … Ich glaube, es ist sehr gut, wenn man ganz von alleine bemerkt, dass jeder Enttäuschungen erlebt. Es ist eine gute Sache, wenn man Kinder solche Gefühle selbst aufarbeiten lässt.«
Eine Mutter berichtete, wie sie aktives Zuhören bei ihrem dreieinhalbjährigen Sohn Jim anwendete, dessen Problem sich nach dem Tod des Vaters zeigte:
»Mit meinem eigenen Kummer fertigzuwerden war schwer genug, aber ich hatte außerdem noch viel damit zu tun, meinen Kindern dabei zu helfen,
den Tod ihres Vaters zu bewältigen … Jims anfängliche stereotype Antwort war: ›Ich weiß, dass Papa tot ist. Wann kommt er aber nach Hause?‹ Oder er wollte Einzelheiten wissen und fragte: ›Ist er im Bett gestorben?‹ Oder: ›Wohin haben sie ihn gebracht?‹ Oder: ›Wie ist er denn zu Gott gekommen? In einem Krankenwagen oder in einem Krankenhausflugzeug? ‹ Zwei Monate nach Franks Tod sind wir nach Florida gereist … Ich erinnere mich, dass Jim dort in der ersten Nacht weinte und völlig außer sich war. Er fuhr aus einem sehr unruhigen Schlaf hoch und keuchte: ›Papa ist tot; er ist gestorben.‹ Daraufhin führte ich folgendes Gespräch mit ihm:
M : Du scheinst sehr aufgeregt.
J : Ja, mir fehlt Papa.
M : Du erinnerst dich wahrscheinlich daran, wie viel Spaß wir hier gehabt haben.
J : Daddy ist mit mir schwimmen gegangen, und wir sind ins Disneyland gegangen.
M : Ich vermute, es war ziemlich hart, nach Florida zu kommen, ohne dass Papa dabei ist und wir keinen Spaß mehr mit ihm haben.
J : Ja, er fehlt mir wirklich.
Danach fiel Jims Reaktion nicht immer so aus, wie ich es erwartet hatte, noch wie ich es gern gesehen hätte. Ich begriff aber, wie wichtig es war, seine Gefühle zu respektieren, da ich mir trotz allem sicher war, dass er so Franks Tod mit weniger Angst und Aufregung akzeptieren konnte.«
Eltern lernen in der ›Familienkonferenz‹, dass sie nicht allen Wünschen oder Forderungen ihrer Kinder nachgeben
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