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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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viel Erleichterung es ihm verschaffte, als er sich nicht mehr für die Probleme seiner Kinder verantwortlich fühlte:

    »Es ist weiß Gott eine Belastung, ständig für das Verhalten von jemand anderem verantwortlich zu sein oder zu meinen, man sei es. Heute denken wir darüber ganz anders, und das ist sehr angenehm … Ich brauche nicht die Probleme der ganzen Welt zu lösen, weil ich es gar nicht kann. Ich mache Fehler. Jetzt verlange ich nicht mehr von mir, allwissend zu sein und mich um alles zu kümmern. Ich habe es versucht, aber das ist kläglich misslungen … Heute habe ich das Gefühl, man hätte mir das Gewicht der ganzen Welt vom Rücken genommen.«

    Wenn Eltern ständig einspringen, um die Probleme ihrer Kinder zu lösen, machen sie sie nur noch abhängiger. Das führt dann zu erhöhten Anforderungen durch das Kind. So erzählte eine Mutter, sie sei zum »Sklaven« ihres Kindes geworden:

    »Heute läuft es besser mit Allan. Ich fühle mich nicht mehr als sein Sklave. Ich habe mich immer mit meinen Kindern eng verbunden gefühlt, solange sie im Vorschulalter waren. Ich glaube, es hat mir gefallen, sie abhängig von mir zu wissen. Nach einer Reihe von Jahren wurde es aber auch langweilig und lästig. Der Weg, den ich jetzt eingeschlagen habe, ist eine große Entlastung für mich. Sie entwickeln sich viel schneller. Schneller, als ich ihnen jemals zugetraut hätte. Vorher beruhigte ich mich damit, dass ich sagte, er sei nur ein Baby. Heute wird er mit all diesen Dingen allein fertig. Er hat keinen Sklaven mehr. Das scheint ihm zu gefallen.«

    Die Versuchung, sich zum Über-Vater oder zur Über-Mutter hochzustilisieren, das Problem eines Kindes in Besitz zu nehmen, ist verständlich. Denn häufig versuchen Kinder ihre Eltern durch Schmeicheleien oder Druck dazu zu bewegen, ihnen fertige Antworten zu liefern oder ihnen zu sagen, was sie tun sollen. Eine Mutter erzählte uns, wie ihr elfjähriger
Sohn versuchte, seinen Eltern die Verantwortung für ein Problem zu übertragen, das ihm sehr naheging:

    »Er meldete sich zum Football an. Er stellte jedoch bald fest, dass es ihm nicht so recht lag. Anfangs mochte er das nicht zugeben. Nach dem Gesundheitstest bekam er seine Ausrüstung. Pünktlich um 4 Uhr 30 vor dem Footballtraining bekam er Magenschmerzen. Oder er hatte einen schlimmen Fuß, oder der Zeh tat ihm weh, oder er verrenkte sich den Knöchel im Bett … Es gelang ihm, in die Mannschaft aufgenommen zu werden. Das war wichtig für ihn. Trotzdem hätte er gerne gesagt: ›Ich mag das eigentlich nicht.‹ Er brachte es aber nicht über sich. Ehrlich gestanden, es war verdammt schwierig, weil er das Problem ständig mir oder meinem Mann aufladen wollte. Manchmal hätten wir ihm gerne gesagt, er solle das Ganze aufgeben. Es ist uns schwergefallen, uns herauszuhalten, während er sich mit all diesen Schwierigkeiten herumschlug. Wir merkten wohl, was er durchmachte. Manchmal glaubte ich, es nicht mehr aushalten zu können, aber mein Mann sagte stets: ›Halten wir uns raus und hören wir zu.‹ Zwei Monate brauchte er. Schließlich entschied er sich aber doch, die Verantwortung selbst zu übernehmen. Es war wirklich schwer. Er ging aber dann doch zum Trainer und sagte ihm, dass er aufhören wolle. Es war, als sei eine schwere Last von den Schultern dieses kleinen Elfjährigen genommen. Obwohl er uns dazu bringen wollte, die Entscheidung für ihn zu fällen, hatten wir uns geweigert, und darüber bin ich sehr froh.«

    Etwas Ähnliches ereignete sich in einer anderen Familie:

    »Ken war ungefähr acht Jahre alt. Er nahm Judostunden. Ein oder zwei Wochen nach Beginn des Kurses war er sehr aufgebracht. Er mochte den Trainer nicht. Außerdem waren ihm die körperlichen Vorübungen lästig, die er zu absolvieren hatte. Er wusste nicht recht, ob er bleiben sollte oder nicht. So kam er zu mir und fragte mich, ob er mit Judo aufhören solle. Von allen unseren Kindern war er derjenige, für den ich die meisten
Entscheidungen getroffen hatte. So war es selbstverständlich für ihn, zu mir zu kommen und mich zu fragen: ›Soll ich aufhören oder nicht?‹ Normalerweise hätte ich jetzt für ihn entschieden. Sie wissen schon, ich hätte ihm erzählt, dass er aber damit angefangen habe und dass er nun auch versuchen solle, durchzuhalten. Stattdessen sagte ich: ›Du weißt nicht recht, ob du mit Judo weitermachen sollst.‹ Ich begann also mit aktivem Zuhören. Er konnte sich aber zu keiner Entscheidung aufraffen. Er

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