Familienkonferenz in der Praxis
das Diagramm wie Abbildung 18 aussehen:
Abbildung 18
Würde der Elternteil einen Kode wählen der »du-orientiert« ist, würde er das Gefühl »Ich bin müde« nicht präzise verschlüsseln ( Abb. 19 ).
Abbildung 19
Das ist ein sehr unzulänglicher Kode für das Gefühl des Elternteils, müde zu sein. Ein eindeutiger und präziser Kode würde immer eine »Ich-Botschaft« sein müssen: »Ich bin müde«, Mir ist im Moment nicht danach zumute, mit dir zu spielen«, »Ich möchte mich ausruhen«. In diesen Botschaften teilt sich das Empfinden des Elternteils mit. Der Kode einer »Du-Botschaft« sendet das Gefühl dagegen nicht. Er bezieht sich weit mehr auf das Kind als auf den Elternteil. Eine »Du-Botschaft« ist kindorientiert, nicht elternorientiert.
Betrachten wir die folgenden Botschaften unter der Perspektive dessen, was das Kind hört ( Abb. 20 und 21):
Abbildung 20
Abbildung 21
Die erste Botschaft wird vom Kind als Wertung seiner Person entschlüsselt. Die zweite stellt eine Tatsache fest, die den Elternteil betrifft. »Du-Botschaften« sind unzulängliche Kodes zur Übermittlung dessen, was ein Elternteil fühlt. Das Kind wird sie nämlich meist entweder als etwas entschlüsseln, das es tun soll (wenn eine Lösung gesendet wird), oder als etwas, das besagt, wie »schlecht« es ist (wenn ein Vorwurf oder eine Wertung gesendet werden).
Aus unseren Kursen und aus Interviews mit Eltern wissen wir, auf welche Schwierigkeiten Eltern stoßen, wenn sie zu Hause Ich-Botschaften verwenden. Außerdem haben wir unseren Begriff der Selbstbehauptung in wichtigen Zügen ergänzt und abgeändert, sodass wir Eltern heute besser dabei unterstützen können, sich dementsprechend zu verhalten.
»Wie sehen meine Gefühle wirklich aus?«
Wenn Eltern Du-Botschaften senden, brauchen sie nicht festzustellen, welches Gefühl eine nicht akzeptable Verhaltensweise eines Kindes in ihnen auslöst. Sie brauchen nur einen Befehl, eine Drohung, eine herabsetzende Bemerkung zu äußern oder irgendeine andere du-orientierte Botschaft zu senden: »Hör damit auf«, »Du bekommst Schläge«, »Du verhältst dich wie ein zweijähriges Kind« usw. Anders liegt der Fall, wenn Eltern versuchen, Ich-Botschaften zu senden. Dann müssen sie wissen, was sie fühlen. »Bin ich ärgerlich, ängstlich, besorgt, verlegen oder was sonst?«
Den meisten Eltern fällt es schwer, herauszufinden, was sie fühlen. Sie sind es nicht gewohnt. Unsere Kultur lehrt die Heranwachsenden, dass das Zeigen von Gefühlen unhöflich, unreif oder egozentrisch ist. So lernen die meisten Menschen ihre wahren Gefühle zu verleugnen und zu verdrängen.
Es folgt der Bericht eines Vaters von drei Kindern – er ist Ende 20 und auf dem besten Wege, es im Bankgeschäft zu etwas zu bringen:
»Ich versuche, die wirkliche Emotion, das wirkliche Gefühl herauszufinden, aber es ist alles so neu für mich – so schwer, Emotionen zu erkennen. So war es wirklich ein Problem für mich, dazusitzen und herauszufinden, was ich wirklich fühle, um dann die entsprechende Ich-Botschaft geben zu können.«
Acht Jahre nach der Teilnahme an unserem Kurs berichtet eine Mutter über ihre Schwierigkeiten:
»Ich glaube, die ›Familienkonferenz‹ hat mich veranlasst, meinen Gefühlen auf die Spur zu kommen – herauszufinden, wie ich wirklich fühle. Das lässt sich nicht lehren. Indem man aber Ich-Botschaften verwendet und gibt, kommt man seinen Gefühlen auf die Spur. Ich erinnere mich, welche Schwierigkeiten ich hatte, wenn uns der Kursleiter üben ließ … Ich sandte zwar Dinge, die sich in meinem Kopf befanden, doch es waren nicht wirkliche Gefühle – nur Gedanken. Es ist mir schwergefallen. Ich arbeite heute noch daran. Unter anderem habe ich hier den größten Nutzen aus der ›Familienkonferenz‹ gezogen – dies gilt nicht nur für die Beziehung zu meinem Kind, sondern auch für die zu meinen Freunden und meinem Mann. Ich bin mir selbst auf die Spur gekommen.«
Eine Mutter verwendete Ich-Botschaften dazu, ihren Arzt zur Rede zu stellen. Er vermied es, ihr reinen Wein über ihre Krankheit einzuschenken. Um genügend Mut zu sammeln, schrieb sie vor dem Termin ihre Gefühle nieder:
»Große Schwierigkeiten habe ich, mit jemandem zu sprechen, der mir in irgendeiner Weise überlegen ist. Ich war bei einem Arzt in Behandlung, der meinte, ich brauche nicht zu wissen, was mir fehle. Lange Zeit nahm ich die vielen Medikamente ein und akzeptierte, was er sagte. Nach der Teilnahme
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