Familienkonferenz in der Praxis
am Kurs beschloss ich aber, meine Gefühle und die Wirkung seines Verhaltens auf mich klarzustellen. Er sollte wissen, was er mir antat
… Ich schrieb alles auf, ging hin und sagte es ihm … Er versuchte wieder auszuweichen. Da sagte ich: ›Ich mach das nicht mehr mit – ich muss Genaueres wissen.‹ Vorher hätte ich niemals den Nerv gehabt, einem Arzt so etwas zu sagen. Er aber sagte: ›Nun gut‹, und erklärte mir alles. Das half mir wirklich.«
Eine andere Mutter, eine Journalistikstudentin mit einem vierjährigen Mädchen, weist auf den Unterschied zwischen nur verbalem Verhalten und wirklicher Kenntnis der eigenen Gefühle hin:
»Etwas anderes ist der Versuch, seinen eigenen Gefühlen wirklich auf die Spur zu kommen, sie zu verbalisieren. Ich kann mich sehr gut ausdrücken, wissen Sie, ich schreibe. Auch mein Mann ist sehr redegewandt. Umso unglaublicher ist es, wie sehr uns im Bereich der Emotionen die Worte fehlen. Über Gefühle wurde in meiner Familie nicht gesprochen, genauso wenig wie in seiner … Die größte Veränderung, die der Kurs bei mir hervorgerufen hat, ist die Tatsache, dass ich nun in der Lage bin, meine Gefühle auszudrücken. Mir fehlte die richtige Ausdrucksweise – ich wusste, dass die Art und Weise, in der meine Eltern ihre Gefühle äußerten, nachteilig war. So stand mir kein brauchbares Modell zur Verfügung, nach dem ich mich richten konnte. Die ›Familienkonferenz‹ gab mir ein Ausdrucksmittel für meine Bedürfnisse, wissen Sie, für die Fälle, in denen ich wirklich welche empfinde.«
Wie man seine wirklichen Gefühle erkennt und sich dazu aufrafft, sie auszudrücken, lässt sich kaum in drei Stunden lehren. Wir haben aber einige Lernhilfen entwickelt, die es Eltern erleichtern, sich selbst auf die Spur zu kommen.
1. Fertigen Sie eine Liste an. Stellen Sie fest, wie viele verschiedene Gefühle sie auf ein Blatt Papier schreiben können. Eine Liste von 20 verschiedenen Gefühlen ist eine sehr gute Leistung. Fordern Sie Ihren Ehepartner auf, dasselbe zu tun. Ergänzen Sie dann Ihre eigene
Liste anhand der des Partners. Sie werden überrascht sein, wie viele Gefühle Sie bewusst erleben.
2. Listen Sie in einer Spalte häufig vorkommende Verhaltensweisen Ihres Kindes auf, die Sie in der Regel als nicht akzeptabel empfinden. Machen Sie sich klar, dass jede dieser Verhaltensweisen Sie irgendeiner Sache berauben kann, die Sie brauchen oder wünschen. Schreiben Sie in einer zweiten Spalte nach jeder Verhaltensweise die Worte »Ich habe Angst«. Sie stehen dann also zehnmal da. Schreiben Sie schließlich in einer dritten Spalte jene Worte auf, die die sinngemäße Ergänzung des Satzes darstellen, wie im folgenden Beispiel:
Verhalten
Gefühl
Ergänzung
Bobby tobt im Wohnzimmer.
Ich habe Angst,
dass er die Lampe umwirft und zerbricht.
Sind Sie zum Ergebnis gekommen, dass »Ich habe Angst« der geeignete Ausdruck für die Gefühle ist, die die meisten der nicht akzeptablen Verhaltensweisen Ihnen einflößen? Ich vermute, dass es der Fall ist. Diese einfache Übung überzeugt Eltern in der Regel davon, dass ein Großteil der kindlichen Verhaltensweisen, die sie vor ein Problem stellen, sie irgendetwas befürchten lassen. Meistens ist es die Furcht vor irgendeiner Zurücksetzung, vor einem Verlust oder die Furcht, irgendein Bedürfnis müsse unbefriedigt bleiben.
Damit soll beileibe nicht gesagt sein, dass »Ich habe Angst« das einzige Gefühl ist, das Sie empfinden, wenn eine Verhaltensweise Ihres Kindes nicht akzeptabel für Sie ist. Es soll Sie nur davon überzeugen, dass Furcht eine sehr häufig vorkommende Reaktion in den Fällen ist, da Sie als Elternteil das Problem besitzen. Diese Tatsache sollte Sie nicht zu sehr überraschen, wenn Sie sich daran erinnern, dass der untere Teil des Verhaltensrechtecks jene Zone ist, in die die Verhaltensweisen Ihres Kindes gehören, die bewirken, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse
nicht befriedigen können. Natürlich haben sie Angst – wer hätte sie dann auch nicht.
3. Vergeuden Sie keine unnötige Zeit damit, möglichst genaue oder elegante Formulierungen zu finden, um ihre Gefühle zu definieren – wie zum Beispiel: »Ich fühle einen Anflug von Ärger« oder »Ich bin enerviert« oder »Ich bin schmerzlich enttäuscht«. Gewöhnlich handelt es sich dabei gar nicht um Ihr Grundgefühl. Wahrscheinlich weiß Ihr Kind noch nicht einmal, was diese Ausdrücke bedeuten. Nach meiner Erfahrung empfinden Eltern meist nur einige wenige
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