Familienpackung
Poren. Und ich kann ihm nur zustimmen. Was für ein wunderbares Kind. Er hält unsere Gesichter aneinander. Ich gebe meinem Sohn seinen allerersten Kuss von Mama und weine. Am liebsten würde ich den ganzen kleinen Kerl abküssen. Oder ablecken wie eine Katze ihr Junges. Was so eine Geburt für tierische Instinkte weckt. Unglaublich. Leider kann ich den Kopf nur schwer drehen und es strengt mich unglaublich an, so Wange an Wange mit meinem Sohn zu liegen. Wie gern würde ich ihn in die Arme schließen, aber das alles ist logistisch leider nicht drin.
»So, Frau Schnidt, Glückwunsch«, brummelt Dr.Wiedmann. Im Saal zustimmendes Gemurmel. Alle gratulieren. »Wie heißt er denn?«, fragt Frau Doktor Zefler. »Mark«, antworte ich und finde, es klingt sehr gut. »Fein, Frau Schnidt«, unterbricht uns der Chef im Raum, »genug geplauscht allerseits, jetzt machen wir hier bei Ihnen mal klar Schiff. Aufräumen und zunähen.« Das war ein winziger Rüffel an die Zefler. Im Kreißsaal scheint Wiedmann zu bestimmen, wer wann spricht. Ich traue mich trotzdem, »Wenn Sie eh dran sind, ich wäre nicht traurig, wenn Sie mir noch eine Portion Bauchfett mitentfernen könnten«, gebe ich dem Oberarzt noch eine kleine Anregung. »So viel Zeit habe ich dann auch nicht, es warten noch andere Patienten«, sagt er furztrocken. Sollte das jetzt auch ein Witzchen sein, oder hat der gedacht, ich meine das ernst?
So wie der gestrickt ist, hat er es wahrscheinlich für bare Münze genommen.
Ich muss sagen, ein Kaiserschnitt ist leider doch nicht ganz so gemütlich, wie ich gedacht habe. Wie gerne würde ich jetzt im Bett liegen und mit Christoph und dem Kleinen kuscheln. Stattdessen tackert mir Doktor Wiedmann den Bauch zu, und mein Mann und mein Sohn sind nebenan. Immerhin keine Wehen. Nicht eine klitzekleine Wehe. Alles hat eben mehrere Seiten. Das Zunähen dauert wesentlich länger als die eigentliche Geburt. Eine gute halbe Stunde. »Sie haben nur eine winzige Narbe«, strahlt mich Frau Doktor Zefler an, »Doktor Wiedmann macht die schönsten.« Wenn das mal keine Riesenschleimerei war. Meine Güte. Na, wenn’s ihr hilft, bitte sehr. Hierarchische Strukturen verlangen wahrscheinlich ihren Tribut. Auch von Frauen wie Frau Doktor Zefler. Und eine schöne Narbe ist ja auch was Feines.
Endlich bin ich fertig. Eine halbe Stunde kann einem wirklich unendlich lang vorkommen. Ich sage brav, »Danke schön«, überlege direkt danach, ob man das überhaupt tut, oder ob das so ähnlich wie mit dem Klatschen im Flugzeug ist. Und wenn schon. Ein ›Danke‹ kann ja nie schaden. »Gern geschehen«, sagt Wiedmann sogar und ich denke, so falsch kann’s ja dann nicht gewesen sein. Was einem nach einer Entbindung für ein Quatsch, ein unwichtiger Quatsch durch den Kopf geht. Wahnsinn. Aber schön ist, ich habe keinerlei Schmerzen. Und Frau Doktor Zefler sagt, das bliebe auch so. »Jetzt geht’s zu Mann und Kind«, freut sie sich mit mir und eine OP -Schwester schiebt mich raus aus dem OP . Leider kann ich, obwohl die grünen Tücher verschwunden sind, nicht sehen, wie mein Unterleib aussieht.
Vielleicht ganz gut so. Der Bauch ist verbunden, seitlich baumeln kleine Beutelchen für Blut und Urin und endlich komme ich runter vom unbequemen Stahlblech. Ich habe ziemliche Kopfschmerzen, ob vom Blech oder der PDA oder meiner Anspannung oder vielleicht allem zusammen, wer weiß das schon. Ist mir momentan auch eher egal. Zwei Schwestern mühen sich ab, sie ziehen und zerren und dann liege ich in einem Bett.
Und Christoph legt mir sofort Mark an die Seite. Wir bestaunen unseren Sohn, als wäre er das achte Weltwunder. Ich habe keinen Hang zur Besinnlichkeit, aber ich muss sagen, es ist ein äußerst ergreifender Moment. Keine Überraschung an sich, aber dass es beim zweiten Kind genauso schön wie beim ersten sein würde, daran hatte ich gewisse Zweifel. Mark hat sogar für einen kurzen Moment die Augen auf, er hat Haare, nicht so viele wie Sigrids Tochter, aber doch immerhin sichtbaren Flaum, und er ist unglaublich hübsch. Sogar wenn man versucht, nicht ganz so verklärt draufzugucken. Seiner Schwester sieht er auf den allerersten Blick jedenfalls nicht besonders ähnlich. Er hat eine schmalere Nase. Die von Christoph. Nicht die von meiner Mutter, Modell Steckdose. Ansonsten kann ich noch keine Familienähnlichkeit feststellen. Egal wem er ähnelt, er ist perfekt, so wie er ist. Ich bin einfach nur glücklich. Wahnsinnig glücklich, erleichtert und
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