Familienpackung
Standardvortrag von wegen: »Das sind unsere Kinder und du wirst ja in der Lage sein, ein paar Cornflakes mit Milch zuzubereiten«, und schleiche mich in die Küche. Obwohl es bei unserer heutigen Stimmung auf eine Streitbaustelle
mehr eigentlich auch nicht ankommt. Die Kinder spüren die miese Stimmung und sind merkwürdig brav.
Immerhin bringt Christoph Claudia in den Kindergarten und ich habe somit Öffentlichkeits-Schonfrist bis heute Nachmittag. Die Kindergartenputzpetze hat garantiert schon das ganze Kaff informiert. Ich überlege, ob ich den Vorfall schlicht abstreiten soll. Nach dem Motto: Ich war ganz woanders, ich fahre nie S-Bahn, das muss eine gewesen sein, die genau den gleichen Mantel hat. Eine sehr angenehme Vorstellung. Leider nicht wirklich realistisch. Wenn schon Christophs Sekretärin mich erkennt, dann werde ich mit meinen Ausreden bei Leuten, die mich wesentlich besser kennen und vor allem auch wissen, wie mein Wohnzimmer aussieht, nicht weit kommen. Mist. Vielleicht sollte ich die nächsten Tage im Haus bleiben. Genug zu tun hätte ich allemal. Tiefkühltruhe abtauen, Kleiderschrank ausmisten und Keller aufräumen, es gäbe Arbeit für Wochen. Das Grauen ruft. Bevor ich mich daranmache, stelle ich mich doch lieber dem allgemeinen Klatsch und Tratsch.
Mark spielt im Garten. Der Garten mit seinen überschaubaren 320 m 2 war unser Hauptgrund, rauszuziehen. Die Möglichkeit, zu den Kindern sagen zu können: »Geht raus spielen«, ist zu verlockend. Der Umzug aufs platte Land kam, wie bei den meisten, die ich kenne, mit dem zweiten Kind. Mit zwei Kindern hat man schon fast eine Verpflichtung, sich nach einem Reihenhäuschen umzusehen. Es gehört dazu. Und ich muss zugeben, es ist schön, in einem eigenen Häuschen zu leben. Oder besser gesagt, in einem Häuschen der Volksbank. Bis wir den Kredit abgezahlt haben, sind wir kurz vor der Pensionierung. Aber was soll’s.
Bei den heutigen Mietpreisen ist es nett zu wissen, dass man irgendwann, wenn man es denn tatsächlich erleben sollte, selbst Hausbesitzer sein wird und damit auch Vermieter sein könnte. Ich vertrödele den Vormittag im Haus. Heute Mittag muss ich mich allerdings um ein Geschenk für Christoph kümmern. Obwohl er keins verdient hat. Nach dem Auftritt heute Morgen. Eine Katastrophe. Andererseits, betrachtet man nur Teil eins des gestrigen Abends, diesen phänomenalen Sex, dann schon. Außerdem: wer weiß, was bis Freitag noch passiert? Drei Tage können eine lange Zeit sein und ich gehe mal stark davon aus, dass wir bis Freitag wieder versöhnt sind. So viel zum Prinzip Hoffnung. Ich kenne mich einfach auch zu gut. Langen Streit vertrage ich nicht. Ich habe einen Harmoniedrang.
Ich räume in der Küche rum und werfe nochmal einen langen Blick auf meine kleine Liste.
Ich will:
mehr Spannung
mehr Sex
mehr Anerkennung
schlankere Schenkel
prima Stimmung.
Und alles bitte schnell. Ganz schnell.
Punkt eins und zwei hatte ich gestern. Eindeutig. Nicht ganz so, wie ich mir es vorgestellt hatte, aber immerhin. Es war auf jeden Fall richtiger Sex. Und noch dazu guter. Und spannend war es auch. Schlimm spannend dummerweise, nicht aufregend angenehm spannend.
Dann geht es heute also an den Punkt Anerkennung.
Wenn ich mich so in der Küche umsehe, hätte ich sofort Anerkennung verdient. Es sieht richtig ordentlich aus. Spülmaschine leergeräumt und gewischt. Ich mache sogar noch die Böden und sauge im Schlafzimmer. Und das, obwohl ich Hausarbeit hasse. Ja. Ja. Ja. Richtiggehend hasse. Meine Mutter kann das kaum verstehen. Sie liebt das gute Gefühl, wenn alles blitzt und glänzt. »Da geht einem doch das Herz auf«, sagt sie gerne. Ich finde auch, dass es hübscher aussieht, aber ich könnte es ganz genauso genießen, wenn es jemand für mich machen würde. Am liebsten wäre mir das Heinzelmännchen-Modell. Nächtliche Geister, die lautlos den kompletten Kram wegschaffen. Das Frustrierende an der ätzenden Hausarbeit ist gar nicht das Wischen und Feudeln an sich. Es ist das Wissen darum, dass das Ergebnis nie von Dauer ist und man theoretisch am nächsten Tag wieder von vorne anfangen muss. Ich würde mit ganz anderer Euphorie ans Werk gehen, wenn ich wüsste, dass ich dann für einige Wochen Ruhe hätte. Aber diese ständige Wiederholung, diese Putzroutine und Monotonie, die nervt. Wenn Christoph ein Projekt erfolgreich abgeschlossen hat, ist er stolz. Gibt Gerichtsanekdoten von sich. Hat was zu erzählen. Geschichten von frisch
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