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Familienpackung

Familienpackung

Titel: Familienpackung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Gegensatz zu ihrem frisch gepressten Bruder, so gar nichts von einem Tiefkühlhähnchen. Dazu hat sie von der Neugeborenengelbsucht eine sehr angenehme Hautfarbe. Leicht getönt. »Sie sieht total aus wie Sebastian, sehr hübsch«, sage ich und Inge nickt begeistert. Komplimente haben wirklich eine höchst versöhnliche Komponente. Und jetzt habe ich gleich Vater und Kind belobigt. Wie clever. Aber auch wahr. Inge hat die Konstantin-Misere schon vergessen und grient versunken ihre Sara an. Die bleibt sogar freundlich, als ihr großer Bruder unbeholfen in ihrem Gesicht rumtatscht. Natürlich hätte ich auch »ach wie süß«, gesagt, wenn Dana grottenhässlich ausgesehen hätte. Was soll man auch sagen? Einer frisch gebackenen Mutter die Wahrheit einfach so um die Ohren zu hauen, das grenzt ja nun echt an seelische Grausamkeit. Es gibt Fragen im Leben, auf die möchte man die Wahrheit keinesfalls hören. Fragen wie: »Bin ich zu dick? Wie findest du meine Frisur«, oder: »Wo warst du eigentlich bis halb vier Uhr nachts?« Heutzutage gilt Ehrlichkeit ja als eine der Primärtugenden. Ich glaube, zu Unrecht. Lügen ist eine Art soziales Schmiermittel, hat mal eine sehr kluge Freundin
von mir gesagt. Männer lügen, um besser dazustehen, und Frauen, um niemanden zu verletzen.
     
    Schnell ist der Nachmittag da und ich fühle mich, als wäre ich schon Wochen hier. Wenn man will, kann man sich sehr schnell akklimatisieren. Ich könnte wahrscheinlich auch im Knast klarkommen. Weil ich mich mit allem eben schnell arrangieren kann. Etwas, was man als Mutter notgedrungen lernt. Eigentlich haben solche Orte wie Krankenhaus und Knast auch was Angenehmes. Vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber wenn man darüber nachdenkt. Immerhin wird einem an diesen Orten fast alles abgenommen. Der Tagesablauf steht fest, Entscheidungen treffen andere und man hat sehr viel Zeit, mit und für sich selbst. Gerade für Mütter oder auch andere Manager ein verlockender Aspekt. Einfach mal was anderes. Versorgt wie bei Mutti. Das Blöde ist, dass man im Krankenhaus krank und im Knast leider eine Verbrecherin sein muss, und Mutti, jedenfalls in den meisten Fällen, besser kocht, aber ansonsten? Sich einfach mal verkriechen, unerreichbar sein und von niemanden belatschert zu werden, ist manchmal ein geradezu traumhafter Gedanke.
    Christoph kommt. Staunt über die Müller-Wurzens. Große Wiedersehensparade. Jeder herzt jeden und alle beteuern, was das doch für ein wahnsinniger Zufall sei. Leider darf ich von all den Köstlichkeiten, die Christoph mitgebracht hat, nichts mehr essen. »Nüchtern bleiben«, heißt die Devise. »Ein voller Bauch schneidet sich schlechter auf«, hat es Schwester Huberta auf den Punkt gebracht. »Der Doktor will sich ja nicht durch Schichten von Hamburgerresten wühlen.« Da Inge mein großherziges Hamburgerangebot
entsetzt ablehnt, gerade so, als hätte ich ihr Känguruhoden angeboten, schlägt Schwester Huberta zu. Es sei ihr gegönnt. Diese kleine Bestechung kann meinem weiteren Dasein hier auf der Station ja keinesfalls schaden.
    Christoph und ich gehen ein wenig spazieren und tun beide völlig cool. »Das wird schon«, sagt er mir. Und ich sage: »Klar, ich weiß.« Dann umarmen wir uns, und diese Umarmung hat es in sich. Da kommt alles raus, was an Restunsicherheit doch noch da ist. Bei allem Vertrauen in die Medizin. »Du weißt, ich liebe dich«, sagt er mit vollem Pathos in der Stimme und ich bin ein ganz bisschen überrascht. Er neigt sonst nicht unbedingt zu spontanen und vor allem unaufgeforderten Liebesbekundungen. Umso mehr genieße ich. Man ist ja wirklich ein bisschen doof. Wenn man etwas sehr selten bekommt, ist man umso dankbarer. »Ich dich auch«, beteure ich und an der Kliniktür verabschieden wir uns. »Bis morgen«, sagt er und winkt noch eine Weile. Das ist so ein Moment, in dem ich mal wieder davon überzeugt bin, sehr gut ausgesucht zu haben. Ich liebe diesen Mann. Ein fabelhaftes Gefühl, so kurz vor der Entbindung. Was soll schon schief gehen, wenn er an meiner Seite ist.
    Ich glaube, ich bin hormonell überdosiert. In meiner momentanen Gefühlslage würde ich sogar bei Kai Pflaume in seiner Liebesshow ›Nur die Liebe zählt‹ auftreten und wahrscheinlich noch vor Begeisterung schluchzen, wenn er mir sein Gastgeschenk, dieses grausig kitschige Plüschtier, vermacht. Dieses Schwangerschaftshormon ist echt eine feine Sache. Das hat die Natur wirklich pfiffig arrangiert. Mein Sohn tritt und

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