Familienpackung
holt mich damit schnell in die Realität zurück. »Damit ist morgen Schluss, mein Freund«, denke
ich und fühle mich für einen Moment kein bisschen ängstlich, sondern zuversichtlich und gutgelaunt.
Rundherum wunderbar.
Die Nacht wird dann doch ein wenig unruhig. Das liegt aber weniger an meiner Nervosität, sondern mehr an den zahlreichen kleinen Schreiereien von Betty und Sara Dana Lisette. Immer wenn ich gerade gemütlich weggedöst bin, verlangt eine der beiden nach Nahrung. Gegen drei Uhr morgens gibt mir die Nachtschwester eine kleine Zaubertablette und weg bin ich.
Um sechs ist es so weit. Schwester Huberta hat Frühdienst und widmet sich zu früher Stunde meinen Schamhaaren. Ich biete an, die Rasur eben selbst zu erledigen, aber sie lehnt ab. »Auch wenn ich nicht so aussehe«, lacht sie und streicht sich demonstrativ über ihren unübersehbaren Oberlippenbart, »ich bin eine Rasurmeisterin. Der Slogan ›so glatt, so gründlich und glatt‹ könnte glatt von mir sein.« Ich beschließe, mich in mein Schicksal zu ergeben. In wenigen Minuten sehe ich aus wie ein Kind. Glatt. Haarlos. Ein merkwürdiger Anblick. Angeblich gibt es ja jede Menge Kerle, die diese haarlose Pracht lieber mögen. Mir sind diese Männer ein wenig suspekt. Lolitalook. Was sind das für Kerle, die wollen, dass man untenrum wie ein kleines Mädchen aussieht? Ich tendiere zu gepflegtem Haarwuchs. Ich meine, ich lasse es nicht wuchern, wie es will – jedenfalls nicht im Sommer –, aber diese Komplett-weg-Variante ist auch nicht mein Geschmack. Christoph hat sich noch nie beschwert oder besondere Wünsche geäußert. Kaum denke ich an ihn, steht er auch schon im Raum. »Guten Morgen, mein Schatz«, strahlt er mich an. »Hallo, die Damen«, begrüßt
er Sigrid, Inge und Schwester Huberta. »Sie kommen genau richtig zum Einlauf, auch Lust auf ein kleines Klistier?«, legt Schwester Huberta direkt los. Christoph kichert, er ist wirklich anfällig für Schwester Hubertas Humor, lehnt aber dann höflich ab. »Ich verdaue noch auf die ganz normale Tour«, schäkert er mit ihr rum und beide lachen. Ich finde Einläufe eigentlich nicht besonders schlimm. Man hat kurz das Gefühl, sich entweder in die Hose zu machen oder dass die Därme reißen, aber das Ergebnis ist im wahrsten Sinne des Wortes erleichternd. Man wiegt direkt ein, zwei Kilo weniger und fühlt sich herrlich leicht. Was in meinem Zustand fast an ein Wunder grenzt.
Um Punkt 6 . 45 Uhr geht die Reise Richtung OP los. Ich winke Sigrid und Inge so entspannt wie möglich zu und ab geht’s.
Als Erstes komme ich ans CTG . Den Wehenschreiber. Mal schauen, was der Kleine so treibt. Es geht ihm gut. Fein. Beruhigend. Auftritt von Frau Dr.Zefler. Ich mache einen Katzenbuckel und Frau Dr.Zefler haut mir eine PDA rein. »Nicht bewegen, ganz ruhig«, gibt sie mir Anweisungen. Christoph hält mir die Hand und mir fällt auf, dass seine ein ganz klein wenig schweißig ist. Wie süß. So sind die Männer. Mir wird der Bauch aufgeschnitten und er hat Schweißhände.
Als die Narkose wirkt, bekomme ich noch einen schmucken Katheter gelegt, eine Braunüle in die Hand und dann zwicken mir alle nochmal in die Beine und den Bauch. Ein seltsames Gefühl – so ohne Gefühl. Man merkt, dass jemand an der Haut ist, spürt die Berührung, aber es tut nicht weh. Die Hälfte meines Körpers ist quasi lahmgelegt. »Wie lange hält das?«, frage ich Frau Dr.Zefler. »Lang genug«,
sagt sie, »und ich kann Ihnen jederzeit was nachschießen.« Na, das will ich mal hoffen.
Man hievt mich auf eine Art Riesenstahlblech. Ich bin schon verspannt, als ich draufgelegt werde. Meine Arme werden festgeschnallt. »Warum denn das?«, will ich entgeistert wissen. »Wir möchten keine von Ihnen fangen«, sagt eine der OP -Schwestern. »Manche Frauen neigen dazu, um sich zu schlagen, unschön zu zucken, wenn sie mitten in der OP sind, und es wäre doch schlimm, wenn der Herr Doktor mit dem Skalpell ausrutscht.« Tatsächlich keine schöne Vorstellung. Nicht, dass wir uns missverstehen. Ich würde dem Herrn Doktor nicht ungern mal eine reinhauen, ausreichend Gründe würde ich sicherlich finden, aber ich hätte schon gerne, dass er da schneidet, wo es vorgesehen ist, und bin deshalb bereit, mich sogar angurten zu lassen. Der Gedanke, aus dem OP gerollt zu werden und durch eigene Nervosität einen Monsterschnitt im Gesicht, eine Art Schmiss, zu haben, ist zu eklig. Christoph erscheint. Im grünen Kittel. »Sie stehen
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