Familienpackung
alles gelaufen. Ich bin verheiratet. Eine ehrenwerte Frau. Habe natürlich auch zwei, drei Tränchen verdrückt und fühle mich toll. Nicht anders als vor zwei Stunden, aber toll. Eindeutig. Die Ringe passen, alle waren ergriffen, vor allem meine Schwiegermutter, die hat geschnüffelt, als hätte jemand eine Spürhundfährte gelegt, und jetzt stehen wir im Reisregen vor dem Standesamt. Mein Haarnest sitzt eine Etage tiefer als gedacht, aber um solche Lappalien kann ich mich im Taumel der Glücksgefühle leider nicht kümmern.
Der Fotograf knipst um sein Leben und jetzt geht’s ans große Feiern. Wir trinken in der kalten Winterluft, aber bei herrlichem Sonnenschein, Champagner. Auch ich gönne mir ein Gläschen und bitte das Kleine, in meinem Bauch, um Verständnis. Jeder herzt jeden. Meine Schwiegermutter Inge stammelt immerzu: »Willkommen in der Familie, endlich gehören wir zusammen.« Für manche Menschen ändert eine Hochzeit wirklich einiges. Als wäre ihre Enkelin erst jetzt tatsächlich ihre Enkelin. Heute soll es mir recht sein. Wenn es ihr Freude macht.
Unsere Freunde spannen ein Betttuch, wir müssen mit einer Nagelschere gemeinsam ein Herz rausschneiden und durchsteigen. Anschließend wird noch ein Holzstamm zersägt. Wir lassen keinen noch so doofen Hochzeitsbrauch aus. Daran soll es nun nicht scheitern. Was angeblich Glück bringt, wird gemacht.
Alle loben mein Kleid. Ich glaube, das hier wird eine wahre Volltrefferhochzeit.
Ich werfe meinen improvisierten Brautstrauß, ziele auf Sabine, die schrecklich gerne heiraten würde, aber meine Schwester Birgit drängelt und fängt ihn. Daraufhin schaut
ihr Mann doch sehr streng. Kurt, mein Schwager, findet so etwas nicht lustig. »Wie soll ich denn das verstehen?«, herrscht er sie an und alle gucken betreten. »Du musst nichts verstehen«, wehrt sich Birgit ungewohnt deutlich, »das ist ja generell eine Spezialität von dir.« Oh, die scheinen ja prima Stimmung zu haben. Aber immerhin, meine Schwester, ihrem Herrn Gemahl sonst sehr ergeben, zeigt Zeichen von Aufmucken. »Gut so«, will ich rufen, verkneife mir es aber, um die Gesamtlaune nicht zu zerstören.
Dann ist Pause. Großes Ausruhen für die Sause am Abend. Wir brausen mit dem Jaguar – hintendran etwa sechzehn Cola-Light-Büchsen – nach Hause. Christoph lacht, freut sich – ob über die Fahrt mit dem Jaguar oder die Hochzeit, wer weiß? – und zerrt mich zu Hause direkt ins Schlafzimmer. »Dürfte ich meine Frau eben mal schnell vernaschen, wir haben sturmfreie Bude«, schäkert er sich in Stimmung. Claudia ist bei Oma. Ich wäre ja willig, habe aber doch eine gewisse profane Angst um meine Frisur. Vor allem, weil Christoph zu den Männern gehört, die sehr gerne am Kopf rumfummeln, während sie zwei Etagen tiefer am Werke sind. »Mein Haarnest«, lehne ich zögernd ab. »Scheiß drauf«, sagt der da doch glatt, aber das finde ich argumentativ etwas schwach. »Ich stecke dir den Fiffi wieder fest, wenn was rutscht«, bietet er noch an. »Ich kann mit dem Ding nicht liegen, und auf deine Frisierkünste will ich mich heute nun echt nicht verlassen«, kontere ich. »Wer sagt denn, dass du liegen musst?«, knurrt er sanft und wir schieben eine nette kleine Nachmittagsnummer. Ganz unbeschadet übersteht mein Kopf das Ganze nicht, aber nichtsdestotrotz, es war die Frisur wert. »Heb dir noch was für unsere
Hochzeitsnacht auf«, ermahne ich ihn zwischendrin und er verspricht mir alles.
Ich trage mein Kleid auch abends. So ein Fummel muss sich ja amortisieren. Kurz bevor wir uns auf den Weg zu Giovanni machen, zieht Christoph ein Päckchen aus der Tasche. Klein und türkis. Tiffany!!!! Hurra. Ein Ring. Zum Aufstecken vor den Ehering. Rundherum mit kleinen Diamanten. Okay, ziemlich kleine Diamanten. Aber eindeutig Diamanten. Brillis. Es ist ein wunderschöner, geschmackvoller Ring und er hat ihn ohne Anleitung ganz allein ausgesucht. Er passt sogar. Ich könnte heulen, und tue es auch. Vor Glück. Unser Nachmittagsprogramm hat mir nochmal eindeutig klar gemacht, dass meine Wahl perfekt war. Ich habe einen Traum-Ehemann. Die Welt ist mein Freund.
Giovanni hat Wort gehalten und das Essen ist sensationell. Mein Vater hält eine Ansprache, sagt fast mehr Nettigkeiten über mich, als mir selbst eingefallen wären, und ich bin im Rausch. Im Glücksrausch und das, obwohl ich noch nicht ein Geschenk ausgepackt habe. Um halb drei räumen die letzten das Feld. Ich bin schlagkaputt.
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