Familienpackung
gerade über die Pfannkuchenreste von Mark hergemacht hat. Christoph ist eher der leptosome Typ. In letzter Zeit ist ihm aber ein ganz kleiner Bauchansatz gewachsen. Kein Drama, im Gegenteil eigentlich sehr beruhigend. Er grinst zurück, wischt sich den Mund ab und flüstert mir »Doch ein böses Scheibchen Melone« zu. Ich tippe auf Waffeln, so wie die eben geguckt hat. Von wegen Melone oder Waffel. Lilli hat sich einen grünen Tee geholt. Die Frau ist mir unheimlich.
»Schöne Scheiße war das noch beim Rennen«, erzählt sie dann. »Klaus ist vorgerannt, dann hat Willi, der mit der Halbglatze, sich herausgefordert gefühlt und am Ende bin ich mit Felix, diesem jüngeren Typ mit der hässlichen Sporthose, dieser lilafarbenen, übrig geblieben.« Sie stöhnt, »Nicht, dass der aus Nettigkeit bei mir geblieben wäre. Er konnte einfach nicht mithalten, hat aber natürlich so getan, als wäre es nur gutes Benehmen. Und dann sein Vorschlag mit der tollen Abkürzung. Angeblich ist er die Strecke schon zigmal gelaufen. Wir haben uns gedacht, das wäre doch der Witz, wenn wir vor Klaus und den anderen Hyperehrgeizlingen ankommen.« »Und habt ihr sie abgehängt?«, fragt Christoph interessiert nach. »Ne, der Felix war auf einmal unsicher mit der Strecke und hat aber, wie alle Männer, so getan, als wäre das gar kein Problem. Wir sind bestimmt
drei Kilometer total umsonst gelaufen. Und dabei hat der mich fast noch angesabbert und am Ende gemeint, ob ich auch Lust hätte, zusammen mit ihm zu duschen; wo er doch so lieb auf mich gewartet hätte, könnte ich ihm doch auch einen kleinen Gefallen tun. Wenn das seine Pingelrita wüsste. Diese Zicke. Die hat den echt verdient.« Sie nimmt noch einen Schluck Tee und muss dann aber los.
»Bauch-Beine-Po, hast du Lust mitzukommen, Andrea? Ist total super, powert echt.« Es ist kurz vor halb zehn am Morgen, ich war in einem versifften Kiefern- oder Pinienwäldchen laufen – und soll jetzt zum Bauch-Beine-Po-Kurs? Nicht für Geld und gute Worte. »Eigentlich gerne«, lüge ich, »aber ich habe Christoph versprochen, mich jetzt um Mark zu kümmern. Claudia geht in den Mini Club.« Christoph rafft nichts. »Geh ruhig, Andrea«, sagt der da doch, anscheinend komplett schwer von Begriff, »ich mach mir mit Mark ein paar nette Stunden.« Er lacht mich an. Wie gemein, der kapiert sehr wohl, schließlich weiß er ganz genau, dass ich solche Kurse hasse, und will augenscheinlich nur mal sehen, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. »Na los, Andrea«, spornt mich Lilli auch noch an und ich sehe, wie Christoph Spaß an der Sache bekommt. »Wirklich, Andrea, geh ruhig. Ich gönne dir das«, unterstützt er den wahnwitzigen Vorschlag von Lilli. »Ich bringe Claudia in den Mini Club und gehe dann mit Mark zum Pool – alles prima.« Ja, ganz prima. Entweder ich gestehe oder ich gehe. Ich gehe. Ich bin ein schwacher Mensch. Und vor Frauen wie Lilli fällt es mir doppelt schwer, meine Lethargie in sportlicher Hinsicht einzugestehen. Vor allem, weil es diesem Frauentyp extrem schwer fällt zu verstehen, dass es tatsächlich Frauen mit Schenkeln wie meinen gibt,
die trotzdem lieber noch einen Muffin essen, als ins Bauch-Beine-Po-Training zu gehen.
Auf dem Weg in den Übungsraum erzählt mir Lilli, dass sie und ihr Leo, den ich bisher nur einmal abends kurz gesehen habe, erst knapp ein Jahr zusammen sind. »Er musste sich erst noch scheiden lassen, der Leo. War kompliziert, wegen der Kinder und weil seine Frau so raffgierig ist.« Was ist denn das für eine Bemerkung? »Waren die lang zusammen, also verheiratet?«, frage ich sie, um mir ein genaueres Bild machen zu können. »Siebzehn Jahre, die Kinder sind vierzehn, neun und zwei Jahre alt und verdammt nervig. Den Neunjährigen haben wir ja mit. Hast du doch schon gesehen oder, Andrea?« Ja, habe ich. Ein sehr blasses großes Kind, immer in irre teure Markenklamotten gewandet. Gerne ›Polo Ralf Lauren‹ oder auch ›Lacoste‹. Kein Wunder, dass der Junge keinerlei Ähnlichkeit mit Lilli hat. »Hat sie ihn verlassen, oder er sie?«, will ich noch wissen. Ich kann mir die Antwort zwar denken, aber man weiß ja nie. In den meisten Fällen reichen heutzutage die Frauen die Scheidung ein. Und oft, wenn ich die Männer sehe, kann ich die Entscheidung voll verstehen. Sie lacht ein etwas künstliches Lachen. »Wer würde einen Mann wie Leo schon verlassen? Ich meine, die müsste ja komplett bescheuert sein.« Ich will jetzt nicht sagen, dass ein
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