Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
so tat, als würde er der Handlung des Tatorts im Fernsehen folgen. Wie ferngesteuert aß er dabei eine Salzstange nach der anderen.
»Was ist eigentlich mit dir los?«, wandte sich Doris an ihn, als der Krimiabspann über den Bildschirm lief.
Konrad griff wieder nach dem Salzgebäck, nahm sich diesmal gleich drei Stangen auf einmal. »Wollen wir nicht noch eine Talkshow sehen oder das Heute-Journal?«, fragte er ausweichend.
»Nein«, entschied Doris. Sie nahm die Fernbedienung und stellte den Apparat aus. »Ich möchte von dir wissen, was dich bedrückt. Hängt es immer noch mit deinem letzten Fall zusammen? Oder – mit unseren Kindern?«
»Mit den Kindern?« Konrad fühlte sich so was von ertappt, dass er rote Ohren bekam wie schon als kleiner Junge, wenn ihn seine Mutter des Lügens überführt hatte.
»Ja.« Doris ließ ihn nicht aus den Augen. »Sophie, Jochen und Burkhard sind heute Abend zusammen ins Kino gegangen. Angeblich.«
»Woher weißt du das denn? Und warum sagt du ›angeblich‹?« Keller spürte, dass er sich nicht mehr lange verstellen konnte.
»Von Inge. Sie war etwas verwundert darüber, dass Burkhard mit seinen Geschwistern loszieht und ins Kino gehen wollte. Ich bin es auch. Weißt du, wie lange der letzte Kinoabend in dieser Konstellation her ist? Zehn Jahre, mindestens.«
»Unsere drei verstehen sich halt immer noch prima«, rang sich Keller ab und sah seiner Frau an, dass sie kurz davorstand zu explodieren. Er hielt diesen Blick keine 30 Sekunden aus, bis er kapitulierte und erklärte: »Sophie und die Jungs sind heute Abend in meinem Auftrag unterwegs. Eine Undercover-Aktion.«
Mit unbewegter Miene hörte sich Doris an, was Konrad zu sagen hatte, fragte zwei oder dreimal nach und kam schließlich zu einem deutlichen Schluss: »Dir ist klar, dass du deine eigenen Kinder für die Lösung deiner Probleme einspannst? Weil du nicht damit klarkommst, dass du nicht mehr im Polizeidienst bist, versuchst du die Lücke in deinem Leben damit zu schließen, dass du dein eigen Fleisch und Blut unberechenbaren Gefahren aussetzt! Das nenne ich … ich sage dazu …«
»Gewissenlos«, suchte Konrad für sie ein geeignetes Wort.
»Nein. Traurig«, sagte Doris. Langsam hob sie ihre rechte Hand und strich ihm über den kahlen Kopf. »Was tust du da bloß, Konrad?«
»Ich habe als Vater versagt«, gab er schweren Herzens zu und spürte einen schnell wachsenden Kloß in seinem Hals.
»Mehr noch als Ehemann«, entgegnete Doris. »Denn du hättest es mir sagen müssen.«
»Ich dachte … ich wusste nicht«, stammelte Konrad.
»Ich möchte eingeweiht werden, wenn du solche kühnen Pläne schmiedest«, stellte Doris mit fester Stimme klar. »Vielleicht hätte ich bei der Vorbereitung helfen können und mich vergewissern, dass alles gut geht.«
Konrad sah Doris voller Überraschung an. »Hättest du es denn zugelassen?«
Doris wiegte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vor allem deshalb, weil ich nicht begreifen kann, warum du dich in diesen Fall so hineinsteigerst. Ich kann deinen Enthusiasmus nicht nachvollziehen, denn die Sache ist doch seit dem ersten Tag geklärt: Dein Täter ist längst hinter Gittern! Du könntest dich zufrieden zurücklehnen.«
»Eben nicht!«, sagte Konrad heftiger, als er wollte. »Wollschläger mordet ungehindert weiter, ob nun allein dank guter Vorbereitung oder mit Hilfe eines Komplizen. Offenbar ist niemand imstande, ihn aufzuhalten. Jedenfalls tut Schnelleisen viel zu wenig, um Wollschlägers Todesspiel endlich zu beenden. Aber man kann doch nicht einfach die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie der nächste Mord geschieht. – Ich kann es jedenfalls nicht.«
»Das ist anständig und mutig von dir, wenn du so denkst«, meinte Doris grüblerisch. »Aber bist du dir der Risiken für den Einsatz unserer Kinder wirklich bewusst?«
»Vollkommen«, sagte Konrad wie aus der Pistole geschossen. »Ich habe alles ganz genau durchdacht.« Er versuchte, in den Augen seiner Frau zu forschen, als er fragte: »Habe ich deinen Segen?«
»Ich glaube …«, Doris zögerte noch einen kurzen Moment, »… ja. Wenn unsere Kinder zusammenhalten, sind sie nicht zu schlagen. Den Abend in der Striptease-Bar meistern sie spielend, da bin ich zuversichtlich.« Ihre Stirn kräuselte sich, als sie in sanftem Ton hinzufügte: »Zugegeben: Dein Plan an sich ist gar nicht übel. Ich habe nur einen Verbesserungsvorschlag – falls du nicht schon selbst daran gedacht hast.«
»Ich bin ganz
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