Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
recht. Momentan waren wir ohnehin nicht sicher in Zürich und einen Ausflug in die Berge samt Wellnessprogramm hatten wir uns nach der ganzen Hetzerei der letzten Tage redlich verdient.
»Okay, ich lass es mir durch den Kopf gehen«, gab ich mich vage, doch Berger trat auf mich zu und ergriff meine Hand.
»Danke! Sie sind ein guter Mensch!«
So hatte ich das noch nie gesehen.
»Eine Frage habe ich noch: Warum kam Noemi in Spanien zur Welt?«
»Ich war damals leitender Angestellter einer Schweizer Elektronikfirma mit Zweigstelle in Barcelona, mit der ich ein Treffen vereinbart hatte. Ich nahm meine hochschwangere Frau Ruth mit auf die Reise. Da wir aber Barcelona schon von früheren Aufenthalten kannten – ich war ja öfter da –, beschlossen wir, den Kurzurlaub diesmal in Madrid zu verbringen. Ich flog am Morgen nach Barcelona und wollte gegen Abend zurück sein, doch dann tobte ein Unwetter über der Küstenregion, sodass ich erst am nächsten Mittag abfliegen konnte. Während ich wartete, rief mich meine Frau verängstigt an. Die Wehen hatten eingesetzt und ich riet ihr, sich ein Taxi in die nächste Klinik zu nehmen.«
»Die Privatklinik von Doktor Grüninger.«
Berger holte tief Atem. »Wir hatten uns die Adresse notiert, für alle Fälle. Ruth war bereits zweiundvierzig, es war unser erstes Kind und wir wollten kein unnötiges Risiko eingehen. Doch es lief einiges schief. Ruth hatte in der Hektik ihre Handtasche im Hotel vergessen, sodass sie kein Geld und auch keine Ausweise bei sich hatte. Sie trug nur ein Nachthemd und hatte sich einen Mantel übergeworfen. Als sie in der Klinik ankam, war sie vom Regen komplett durchnässt.«
»Grüninger nahm an, sie sei eine Obdachlose?«
»Er bot an, sie gratis zu behandeln …«
»Worauf das Kind bei der Geburt starb.«
Ich ging zum Fenster und öffnete es ganz.
»Noemi war ein Wunschkind, wissen Sie? Sie sollte unser Glück komplett machen. Grüninger hat all unsere Hoffnungen und Träume zerstört.«
Als ich hinunter auf die Straße guckte, traute ich meinen Augen nicht. Ein silberfarbener Audi fuhr im Schritttempo an meinem Käfer vorbei. An und für sich nichts Weltbewegendes, nur war mir derselbe Wagen bereits zuvor in der Gerechtigkeitsgasse beim Verlassen des Cafés aufgefallen, ohne dass ich ihm viel Beachtung geschenkt hatte. Er war mir einfach aufgefallen. Doch diesmal erkannte ich deutlich, wer darin saß.
Mein Telefon klingelte erneut und als ich abnahm, flüsterte Mirandas Stimme in mein Ohr: »Sie sind hier!«
»Ich hab’s grad gesehen! Wo seid ihr?«
»Immer noch aufm Klo. Wir trauen uns nicht raus. Die fahren schon die ganze Zeit die Straße auf und ab.«
»Bleibt, wo ihr seid!«
Ich beendete den Anruf und packte Berger am Arm. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
Berger verließ das Haus, während ich mich im Eingangsbereich des Gewerbegebäudes verbarg und darauf harrte, dass der Audi erneut draußen vorbeifuhr. Bereits nach kurzer Zeit tauchte er auf. Eindringlich musterte Raffi meinen Käfer, bevor der Wagen langsam stadtauswärts davonrollte, derweil der Fitnesstrainer angespannt auf dem Beifahrersitz saß.
Ich hatte keine Ahnung, wie sie uns gefunden hatten, dem Anschein nach waren sie uns schon seit geraumer Zeit auf der Spur. Dabei war ich mir sicher gewesen, sie bereits in Zürich abgehängt zu haben. Der Wechsel von Kamils schwarzem Smart zum silbernen Audi hätte uns eigentlich einen zusätzlichen Vorsprung garantieren sollen.
Ich wählte Mirandas Nummer, öffnete die Eingangstür spaltbreit und wartete ab, bis der Wagen weit genug entfernt war.
»Jetzt!«, schrie ich, rannte zum Käfer und startete den Motor. Nur wenige Sekunden später kamen meine beiden Begleiterinnen die Rückseite des Tankstellenshops entlanggestürmt und überquerten den Parkplatz. Auf der Straße, ein gutes Stück von der Tankstelle entfernt, sah ich den Audi ausholen und zu einem Wendemanöver ansetzen. Jetzt hatten sie uns entdeckt, Raffi riss das Steuer herum und holperte über den Gehsteig, bevor er den Wagen auf die Fahrbahn zurücklenkte und auf uns zupreschte.
Kaum hatten sich Miranda und Joana auf den Rücksitz gezwängt, setzte ich zurück. Schon raste der Audi an der Tankstelle vorbei, ich wechselte in den Vorwärtsgang und drückte das Gaspedal durch. Mir blieb keine Zeit, Christoph Berger zum Abschied zuzuwinken, doch im Rückspiegel sah ich den Van aus der Einfahrt neben dem Gebäude schießen und dem Audi den Weg abschneiden. Das Kreischen
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