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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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José jetzt an, während er versuchte, aus dem Tram zu steigen. Doch die anderen Fahrgäste waren bei Weitem nicht sein größtes Handicap. Hektisch rangierte er den Kinderwagen vor und zurück, dabei stieß er immer wieder gegen Schienbeine, bis er das Gefährt halb gewendet hatte, beim nächsten Manöver kippte er eine Einkaufstasche um und eine junge Frau weiter hinten stieß einen empörten Schmerzenschrei aus, weshalb, konnte ich im Getümmel nicht erkennen. Als sich José endlich im perfekten Neunziggradwinkel vor dem Ausstieg positioniert hatte, schlossen sich die Türen bereits wieder. Rasch stellte ich meinen Fuß auf das hochklappende Trittbrett und half ihm, den Wagen aus dem Tram zu hieven. Ringsum wurden Augen gerollt, eine Oma verzog säuerlich die Mundwinkel und zwei Mütter, beide ebenfalls mit Kinderwagen unterwegs und der herablassenden Mimik nach ausgebuffte Lenkerinnen, beobachteten uns schadenfreudig.
    Josés Gesicht war gerötet, Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn und er schien überfordert, wie eigentlich immer in letzter Zeit.
    » Hombre , es ist nicht einfach!«, keuchte José und ich setzte eine mitfühlende Miene auf. Junge Väter brauchten nicht nur hin und wieder etwas Anteilnahme, sondern beinahe ununterbrochen, wie ich nach der Geburt von Miguel Antonio schnell herausgefunden hatte. Deswegen behielt ich meine Ansicht, dass er sich wirklich umständlich angestellt hatte, für mich.
    Während Fiona, Josés Freundin, die Ankunft ihres gemeinsamen Sohnes ohne großes Brimborium zur Kenntnis genommen hatte und nach einem halben Jahr Mutterschaftsurlaub zu einem Halbtagsjob bei der Stadtpolizei zurückgekehrt war, veranstaltete mein bester Freund José immer noch ein Riesenspektakel, wenn er mal allein mit dem Sohnemann unterwegs war. Unverhohlen dabei sein Stolz auf den Kleinen, was ich wiederum rührend fand, auf das ganze Theater drum herum hingegen hätte ich verzichten können.
    So machte ich mich denn auch auf eine ausführliche Dokumentation über die neusten Fortschritte des Stammhalters gefasst, als wir jetzt der Bäckerstrasse entlang Richtung Volkshaus spazierten. Früher hätte ich José garantiert vorgeschlagen, auf einen Drink in das im französischen Bistrostil eingerichtete Lokal einzukehren. Doch erstens hätten wir mit dem unförmigen, an eine Weltraumkapsel erinnernden Kinderwagen draußen auf der gut besuchten Terrasse kaum Platz gefunden, zweitens war meinem Freund diese Art von Lokal seit Neustem zu etepetete. Er bevorzugte die entspannte Atmosphäre im Restaurant der Bäckeranlage weiter vorn, ein unkompliziertes Selbstbedienungslokal in einer hübschen Parkanlage, wo die Chance, zwecks Erfahrungsaustauschs auf andere junge Väter – oder besser noch: junge Mütter – zu treffen, ungleich höher war. Mir war es egal, Hauptsache, ich bekam endlich etwas zu trinken.
    Während José einen Platz suchte, machte ich mich mit einer mulmigen Vorahnung auf, Getränke und etwas zum Knabbern zu besorgen. Die junge Frau, die trotz der Hitze eine lustig geringelte Wollmütze und dazu ein Schlabbershirt aus garantiert hundertprozentig biologischer Baumwolle trug, die wahrscheinlich total fair bezahlte und deshalb vor Glück jauchzende Pflücker auf einem pestizidfreien Feld zusammengetragen hatten, bestätigte meine ärgsten Befürchtungen.
    Seit Political Correctness in Kreisen, die Betroffenheit als erstrebenswertes Lebensgefühl propagierten, eine regelrechte Renaissance erlebte, fand ich mich permanent einem Minenfeld ausgesetzt, sobald ich eines dieser alternativ angehauchten Lokale betrat.
    »Was darf’s denn sein?« Erwartungsvoll stützte die Frau ihre Hände auf den Tresen.
    Ich begann zu schwitzen, mein Blick zuckte nervös über die Auslage. Gerne hätte ich Miguel Antonio einen Mohrenkopf mitgebracht, doch ich befürchtete ernsthaft, dass mich die wahnsinnig engagiert guckende Bedienung empört schreiend als Rassist denunzieren würde. Negerkuss? Das war noch schlimmer. Ich zermarterte mir vergeblich das Gehirn, wie man die seit meiner Kindheit gleich heißende Süßigkeit konfliktfrei nannte, und strich sie schließlich in Gedanken ganz von meiner Liste.
    Ein Wasser mit Gas? War sie Jüdin, konnte das ungute Assoziationen wecken. In dem Fall vielleicht eine Cola oder markierte mich das gleich als kapitalistisches Schwein? Ein warmes Croque Monsieur? Unmöglich, sie hätte mich für homophob gehalten. Die braune Farbe verband die Linzertorte auf bedenkliche Art

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