Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
hatte.
»Sie meint, das sei okay!« José steckte das Mobiltelefon wieder ein und sah mich verdattert an.
»Hab ich doch gesagt!«
»Aber …« Sein Blick wanderte zu Miguel Antonio, der gerade gähnend erwachte und sich mit den geballten Fäustchen die Äuglein rieb.
»Sie kommt ohne dich klar«, beschwichtigte ich meinen Freund.
»Genau das beunruhigt mich ja!«, jammerte er.
Ich grinste. »Wir Männer haben immer das Gefühl, wir seien unentbehrlich. Sind wir aber nicht. Mir geht das mit Manju manchmal genauso.«
José nickte, doch er sah wenig überzeugt aus.
Wieder zu Hause buchte ich als Erstes die Flüge nach Madrid und zwei Einzelzimmer in einem schmuck aussehenden Mittelklassehotel. Ich war gerade dabei, das Notwendigste an Kleidung in einen kleinen Reisekoffer zu stopfen, als es an der Tür klingelte.
»Wann bist du zurück?«, erkundigte sich Manju, während sie ihre Handtasche auf dem Beistelltischchen des Sofas platzierte. Ich hatte zuvor im Vorbeigehen im Laden reingeschaut und sie über meinen neuen Auftrag informiert.
»Sonntagmittag. Der Flug geht um …« Ich griff zu den ausgedruckten E-Tickets. »Um halb zehn. Und kommt kurz vor zwölf in Zürich an. Flugnummer LX 2021.«
»Ich hole euch ab.«
»Das ist lieb von dir.« Ich zog sie an mich. »Wirst du mich auch vermissen?«
»Sehr!« Sie blickte mich eine Spur zu ernsthaft an. Ich grinste und beugte mich näher zu ihr, um sie zu küssen, als plötzlich etwas anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Rasch wand Manju sich aus meinem Arm und trat an den Schreibtisch. »So viel Post! Und alle Briefe sind noch verschlossen! Wieso?«
Ich ließ mich aufs Sofa fallen. »Was interessiert es mit einem Mal die halbe Welt, ob ich meinen Briefkasten leere oder die Umschläge öffne? Meine Post gehört mir! Komm jetzt bitte wieder her. Das Zeugs ist unwichtig!«
»Unwichtig?« Manu hielt einen Umschlag hoch, dem ein zweiter folgte. »Unwichtig, ja?« Fächerartig streckte sie mir ungefähr ein halbes Dutzend Briefe entgegen. »Drei Gastrobetriebe, Versicherungen, ein Callcenter und eine Sicherheitsfirma«, las Manju die Absender ab.
»Oha!« Mit einem Mal fiel mir ein, worum es sich handelte.
»Weshalb bewirbst du dich für Jobs?«
»Einfach so«, wich ich aus.
Manju zog die Augenbrauen hoch. »Einfach so? Ich habe gedacht, du liebst deine Arbeit als Privatdetektiv.«
»Schon, aber manchmal … Ich weiß auch nicht.«
»Und wieso hast du mir nichts davon erzählt?«
»Eine Überraschung, dachte ich …«
Mit gerunzelter Stirn musterte sie die Kuverts. »Vijay, hör mir mal gut zu«, sagte sie, nachdem sie die Fakten geordnet und zu meiner Verblüffung in den richtigen Zusammenhang gebracht hatte. »Ich weiß, dass du dies nur mir zuliebe machst. Aber ich will nicht, dass du deinen Job aufgibst.«
Manju setzte sich neben mich und fuhr mir zärtlich durchs Haar. Wäre ich ein Kater gewesen, ich hätte zu schnurren begonnen, obwohl sie mich einmal mehr durchschaut hatte.
»Vielleicht bringe ich manchmal zu wenig Verständnis für deine unregelmäßigen Arbeitszeiten auf. Und dann diese andauernden Observationen, wenn ich nächtelang nicht weiß, wo du dich rumtreibst.«
Ich hoffte inständig, dass sie diese Thematik jetzt nicht vertiefen wollte. Zu meiner Erleichterung fuhr sie jedoch fort: »Aber ich sehe ja, wie glücklich du dabei bist.«
»Ich hab gedacht, eine Festanstellung würde mir ein regelmäßiges und vor allem höheres Einkommen garantieren. Gerade hinsichtlich unserer Zukunft.«
»Darüber mach dir keine Sorgen. Ich verdiene in der Zwischenzeit genug für uns beide.«
Ruckartig wich ich von ihr weg. »Das ist es ja! Ich will mich nicht von dir aushalten lassen! Der Mann sollte für die Frau sorgen und nicht umgekehrt!«
Lachend erhob sie sich. »Auch Ihnen ein herzliches Willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert, Herr Kumar! Sie sind manchmal unglaublich altmodisch!« Sie zog ihren Rock zurecht und sah mich an. »Glaubst du wirklich, du wärst ein guter Kellner? Ein Türsteher? Oder gar ein Versicherungsbeamter? Du mit deinem losen Mundwerk?«
»Ich könnte mich ändern. Mich zusammennehmen und die Klappe halten«, murmelte ich.
»Wie bitte? Ich kann dich grad so schlecht hören. Ändern? Klappe halten? Du?« Amüsiert ging Manju vor mir in die Hocke und nahm mein Gesicht in ihre Hände. » Mera jaan , selbst wenn du hin und wieder in finanzielle Engpässe gerätst: Du gehst in deinem Job auf! Und du machst ihn gut!
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