Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
Schweigend packte Joana jetzt die Klamotten zusammen und blieb dann unschlüssig vor dem Wagen stehen.
»Wozu war das gut?«, fragte Miranda zögernd.
»Einfach so«, gab die Tochter kurz angebunden zur Antwort und machte ein verstocktes Gesicht.
»Aha …« Miranda klang wenig überzeugt, doch Joana schien nicht weiter auf das Thema eingehen zu wollen. Die nachfolgende Pause dauerte länger, als angenehm war.
»Und du bist jetzt also …?«, stellte Joana schließlich fest.
»Dein Vater, Gustavo! Aber nenn mich ruhig Miranda. Ich bin so glücklich, dass wir uns endlich kennenlernen!« Meine Freundin hatte sich bislang rücksichtsvoll zurückgehalten, doch jetzt stürzte sie mit ausgebreiteten Armen auf ihre Tochter zu. Die wich jedoch mit einem gequälten Gesichtsausdruck zur Seite, ihre Körperhaltung versteifte sich. Was nur verständlich war, wenn man einen gestandenen Brasilianer im besten Alter erwartet hatte und dann von einer vor Aufregung quiekenden Transe im Chanelkostüm angesprungen wurde.
»Kein Mensch hat mir auch nur ein Wort gesagt!«
»Aber jetzt wird alles gut! Endlich sind wir zusammen! Eine Familie!« Miranda liefen die Tränen übers Gesicht und irgendwie schaffte sie es, Joana doch zu umarmen. Unauffällig versuchte sich diese freizumachen, nur bemerkte es Miranda in ihrem Freudentaumel nicht.
»Lass mich los! Verdammt!«, zischte die junge Frau schließlich.
Verständnislos zuckte Miranda zurück und starrte Joana an, als habe ihr diese soeben ein Messer ins Herz gerammt.
Der Super- GAU , von uns im Vorfeld wochenlang weggeredet, war eingetroffen: Joana war alles andere als erfreut über das, was ihr Vater geworden war.
»Schätzchen, bitte …«
»Das muss ich erst verarbeiten.« Joana ließ die völlig geknickte Miranda stehen und öffnete die Beifahrertür des Käfers, den Manju zum Flughafen gefahren hatte, um uns alle abzuholen.
»War wohl gerade etwas viel für dich?« Meine Freundin trat an Joana heran und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter.
»Ja, kann man so sagen.« Ihr Blick folgte Miranda, die soeben eine Zigarette angezündet hatte und sich ein paar Schritte entfernte, bevor sie sich mit unglücklicher Miene gegen die Betonwand lehnte.
»Das wird schon. Miranda ist ein toller Mensch, du wirst sehen.«
»Für den Moment habe ich mehr als genug gesehen«, entgegnete Joana kühl.
»Ihr müsst euch erst aneinander gewöhnen, dann wird dir auffallen, wie viel ihr gemeinsam habt.« Manjus Blick streifte das elegante Kleid und die hochhackigen Schuhe, die das Mädchen in der Zwischenzeit gegen die Turnschuhe eingetauscht hatte.
»Ich will weg hier. Ich bin wahnsinnig müde und mir ist nicht besonders gut.«
»Wir fahren gleich.«
Ich bemerkte, wie sich Joana unauffällig die Hand auf den Bauch legte und für den Bruchteil einer Sekunde schmerzlich das Gesicht verzog, als hätte sie Krämpfe. Manju musste diese Reaktion entgangen sein, sie sprach weiterhin beruhigend auf Mirandas Tochter ein.
Sie ist schwanger!, schoss es mir durch den Kopf. Grinsend setzte ich mich hinters Steuer.
Miranda hatte ja nicht den Hauch einer Ahnung, was da noch alles auf sie zukam.
»Auf Joana!« Miranda hob das Proseccoglas und wir taten es ihr gleich. »Du kannst dir mein Glück nicht ansatzweise vorstellen! Zu wissen, dass es dich gibt, hat mich zu einem anderen Menschen gemacht …«
»Das hat sie auf die harte Tour feststellen müssen …«, warf Manju ungewohnt vorwitzig ein, doch Miranda ließ sich nicht beirren und fuhr mit ihrem Toast fort: »Du hast meinem Leben einen neuen Sinn gegeben. Auch wenn ich vielleicht nicht der traditionellen Vorstellung eines Vaters entspreche, möchte ich, dass du weißt: Ich bin für dich da und würde alles für dich tun. Denn ich bin unglaublich stolz, der Vater einer so hübschen Tochter zu sein.«
Joana wand sich, erst am Ende von Mirandas Ansprache schlich sich ein dünnes Lächeln auf ihr Gesicht. Manju und ich applaudierten, während José fehlte, da er direkt zu Fiona und Miguel Antonio zurückgekehrt war. Die angespannte Stimmung hatte sich zwar nach der zweiten Flasche etwas gelöst, noch immer mied Joana aber Mirandas Nähe und wich dem Blick ihres Vaters aus. Zudem schien ihr ziemlich übel zu sein. Seit wir in Mirandas kleiner Wohnung feierten, hatte sie in immer kürzeren Abständen das Klo aufgesucht.
»Vielleicht war das Essen im Flugzeug verdorben?«, mutmaßte Miranda, als sich Joana schon wieder vom Sofa erhob und eilig
Weitere Kostenlose Bücher