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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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die Seite.
    »Er war sehr überzeugend, in der Tat«, lachte Maria. »Und ist es noch.«
    Ich wich ihrem herausfordernden Blick aus und drehte mich rasch zur Bar, um eine weitere Runde zu bestellen, doch Maria ergriff bestimmt meine Hand.
    »Lass uns woanders hingehen.«
    Ich erstarrte und schielte zu José und Mónica, die direkt neben uns standen und Marias Worte dem anzüglichen Grinsen nach mitbekommen hatten.
    »Ihr auch, ale vamos! «, forderte Maria die beiden auf. Sie gab dem Kellner ein Zeichen, worauf dieser nach dem Schlüssel langte, der an einem Nagel an der Wand hing, und vorausging. Kurz bevor wir die Toiletten erreichten, schloss er eine unauffällige Tür auf, die in die Seitenwand eingelassen war, und führte uns einen kühlen, nach abgestandenem Rauch riechenden Gang entlang zu einem Gewölbe, das nur mit Kerzen erleuchtet war.
    Männer mit Gitarren saßen auf Stühlen in der Mitte des Raumes und spielten atemberaubende Melodien voller Sehnsucht und Leidenschaft, andere standen und klatschten einen mitreißenden Rhythmus, taktgenau diesmal. Kastagnetten klapperten und während uns der Camarero Plätze zuwies, erhob sich am Nebentisch eine drahtige Frau mit streng zurückgebundenem Haar. Sie trug eine schwarze Bluse und ebensolche Hosen, ihre Lippen leuchteten rot. Mit beinahe überheblicher Miene stützte sie die Arme in die Seiten, stampfte ein einziges Mal auf und augenblicklich verstummte der ganze Raum, die Musik erstarb. Stolz blickte sie in die Runde und erst jetzt, im flackernden Schein der Flammen, erkannte ich ihr Alter. Das schwarze Haar war durchzogen von grauen Strähnen, die Augen glühten gleichzeitig voller Trauer und Inbrunst und in ihrem zerfurchten Gesicht spiegelten sich die Erfahrungen eines ganzen langen Lebens.
    Sie stampfte erneut auf, ein Mal, zwei Mal, immer schneller und kräftiger wurde der Takt, ihre Absätze trommelten hart auf den Steinboden und das Publikum klatschte begeistert mit. Abrupt hielt sie inne und den Zuhörern stockte der Atem. Die Frau verharrte sekundenlang, reglos und schön wie eine Statue. Dann setzte eine erste Gitarre ein und spielte eine herzzerreißende Weise, so brüchig und zaghaft, dass sie sich in der Stille beinahe verlor, bis die anderen Musiker sie übernahmen, jeder für sich. Sie variierten das Thema, umschmeichelten sich wie Liebende und trennten sich wieder, fanden schließlich ganz zusammen. Vereinigt trieben sie das Stück voran, einer starken Brandung gleich schwoll es an, bis es jeden Winkel des Gewölbes erfüllte, eine unerwartete Pause plötzlich, bevor die Rhythmusinstrumente dazustießen.
    Ruckartig erwachte die Frau aus ihrer Starre, die Arme flogen hoch über ihren Kopf und der Körper bewegte sich lasziv zum Klang der Musik, beide Hände zirkelten durch die Luft, die Füße vollführten absurd schnelle Bewegungen. Es war, als gäbe es keine Grenzen mehr, als verschmölze sie mit dem Lied, als würde alles eins, ihr Tanz und die Melodie, die Menschen im Raum und ich.
    Ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden, auch nicht, als Maria mir ihre Hand auf die Schulter legte und sich zu mir herüberbeugte: »Normalerweise kommt man hier nicht rein, Touristen schon gar nicht.«
    »Sie ist fantastisch!«
    In stummer Ehrfurcht sah ich der Frau zu, wie sie sich rasant um sich selbst drehte, in sich versunken und trotzdem unglaublich präsent, und dabei ihre Geschichte erzählte. Von der Liebe und allem, was sie mit sich brachte, von der Zeit, die unerbittlich verstrich, und dem Tod.
    »Du liebst sie, nicht wahr?«, hörte ich Marias Stimme in meinem Ohr.
    »Mehr, als ich mir je hätte vorstellen können.«
    »Das ist gut«, sagte sie nach einer Weile.
    Sie berührte mich sanft an der Schulter, als sie aufstand, und ich sah ihr hinterher, wie sie sich einen Weg durch die Leute bahnte. Am Ausgang blickte sie noch einmal zurück, ein angedeutetes Lächeln, dann war sie verschwunden.

Sonntag
    »Manchmal baut ein Mann Scheiße, okay?«
    Ich antwortete nicht, doch im Stillen gab ich José recht, während ich auf das Kernkraftwerk Gösgen hinunterblickte, das mit seinem ewig dampfenden Kühlturm genauso wenig zur Verschönerung des Kantons Aargau beitrug wie die exzentrischen Eigenheime, die entweder quietschbunt oder aufgrund ihres prätentiösen Baustils aus den Dörfern herausstachen, Zeugnisse verzweifelter Selbstverwirklichung, die das Auge beleidigten. Zumindest meins. Der Airbus schwenkte sanft zur Seite und steuerte im Sinkflug den

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